Hortum serinis! – Den Garten den Girlitzen!
Sprang es mir ins Auge, als ich eines schönen Tages 2018 durch das Tor unseren Garten betrat, den Anjas Tante uns im Vorjahr geschenkt hatte. Die sauber rechtwinkligen großen Beete – nein, eigentlich schon Gemüseäcker! – Jahr um Jahr umgegraben und in Reih und Glied bestellt, waren da bereits über knöchelhoch von Vogelmiere und Hirtentäschel erobert. Fünf „äsende“ Ringeltauben lugten aus dem Kraut, und überall in der Vogelmiere, in der Luft, Girlitze über Girlitze! Als Kleinsamen fressende Kleinfinken sind wie beim Bluthänfling oder dem Stieglitz seine Bestände erst in der Feldflur zurückgegangen, dann in den immer steriler gewordenen Dörfern und Städten und ihren zunehmend toten Gärten. Eine „Zielart“ für den Naturschutz im künftigen Hortus war gefunden: Dieser Garten soll auch und besonders den Girlitzen gehören!
Seitdem ist viel passiert: Die Anbauflächen reduziert und dort mit Mischkulturen, den „Drei Schwestern“, Flächenkompostierung und Mulchwürsten experimentiert, Kartoffeltürme gebaut, die nicht mehr genutzten Anbauflächen mit Rieger-Hofmanns Wildbienen- und Schmetterlingssaum auf fettem Hortisol als temporären Hotspot eingesät und den Frühjahrsschnitt davon vermulcht, in alten Regentonnen verjaucht oder zu neuen Kartoffeltürmen verbaut.
Temporär deshalb, weil wir 2019/20 endlich unser Holzhaus gebaut haben, genau auf dem alten Kartoffelacker mit der Saumeinsaat. Dafür musste nur ein einziger, schmächtiger und auch kranker Apfelbaum gefällt werden, ansonsten konnten wir den gesamten Altbestand an Obstbäumen erhalten. Vor allem den wunderschönen großen, alten, landschaftsprägenden Birnbaum, der nun zu später Ehre als Hausbaum gekommen ist.
Nun steht das Haus, das Geld ist alle, und ringsum sieht vieles eher nach Baustelle als nach Hortus aus. Dennoch sind die ersten Keimzellen des Hortus da:
Ertragszone: Ein Schlüssellochbeet aus geflochtenen Weidenruten und anderen Zweigen; das kleine Gewächshaus an neuem Ort; alte Kirsch-, Apfel-, Birn- und Zwetschgenbäume, eine junge gerettete Walnuss aus dem Nachbargarten und Nachpflanzungen von Him- und Brombeere.
Hotspot-Zone: das „Fridolarium“, Freigehege für die Griechische Landschildkröte Fridolin, mit Kalkschotterstreifen mit Blumenschotterrasen, einem kleinen Sandarium, zwei Flachwasser-Sandpfützen in eingegrabenen Mörtelkübeln und einem Erdhaufen mit einjährigen Ackerwildkräutern.
Pufferzone: die geerbte Thujahecke an der Nordgrenze verwahrlost, kommt zur Frucht und bietet so wenigstens etwas Nahrung. Aber überall dazwischen beginnt Holunder und Liguster durch zu wuchern und diesen uns wichtigen Sichtschutz zu den Nachbarn heimisch-hortan zu machen. Ein großer toter Kirschbaum blieb stehen, wurde mit einer Ramblerrose „Kiftsgate“ bepflanzt, dahinter stapelt sich ein mittlerweile 2,5 m hoher Totholzhaufen, und drumherum wächst der Schattige Saum von Hof-Berggarten mit dazwischen gesetzten Glockenblumen (Nessel- und Pfirsichblättrige), Gelbem Fingerhut, Odermennig, Diptam und etlichen Zwiebeln Weinbergstulpe, Gelbem Lauch, Großer, Kleiner und Schopfiger Traubenhyazinthe und Doldenmilchstern.
An der Südgrenze ist Obstbaumschnitt als Käferkeller vergraben.
Und an der Westgrenze zur stark befahrenen Kreisstraße lagert der Aushub vom Hausbau und wartet darauf, abgeschottert und zu einem Heckenrosen-Wall mit trocken-warmem Saum umgestaltet zu werden. Hierfür habe ich ganz frisch den Zuwendungsbescheid der Stiftung Naturschutz Thüringen auf dem Schreibtisch, die über das Programm „Naturschutz beginnt vor der Haustür!“ kleinere Umsetzungsprojekte auch in Privatgärten großzügig fördert. So ist trotz Hausbau wieder Geld da, mit dem wir uns endlich mal semiprofessionell austoben können: richtig abschottern, einmal quer durch Gärtnerei Stricklers Wildrosensortiment einkaufen, flächendeckend tolle Stauden wie Küchenschelle, Großes Windröschen, Kreuzenzian u.v.m. setzen und allerlei Zwiebeln stecken. Und das wird erst der Anfang – Ehrenwort den Girlitzen!