In letzter Zeit gab es einige Diskussionen hier im Forum, wo der Klimawandel zum Argument wurde. Darum ist es mir ein besonderes Anliegen, dieses Thema zu beleuchten!
Wenn dann mit dem Klimawandel argumentiert wurde, wurde gleichzeitig dafür argumentiert, Neophyten dort einzusetzen, wo sich die Standortbedingungen für unsere heimischen Pflanzen verändern. Ich persönlich finde das früh und zu kurz gedacht, da werden so viele natürliche Begebenheiten und Anpassungsmöglichkeiten einfach außer Betracht gelassen.
Für mich liegt in dieser Argumentation ein Denkfehler vor, denn unsere heimischen Pflanzen wandern von selbst durch den Garten in andere Gartenbereiche mit anderen Standortbedingungen. Wie oft entdecke ich auf nur zwei Quadratmetern völlig unterschiedliche Boden-, Licht - und Klimaverhältnisse, weil auch die jeweiligen Pflanzengesellschaften ( und evtl. zusätzlich vorhandene Naturmodule) das mitbeinflussen. Plötzlich stehen ein feucht- humoser und ein lehmig- trockener Standort unmittelbar nebeneinander. Wie kommt das? Vielleicht weil manche Pflanzen mehr Blattmaterial in den vergangenen Jahren abgeworfen haben, der Boden besser beschattet war und dadurch feuchter und humoser (durch ein aktiveres Bodenleben an dieser Stelle) wurde. Der andere Nachbarstandort dagegen hatte dafür andere Pflanzengesellschaften, die weniger Laub besaßen, vielleicht auch dem Boden mehr Feuchtigkeit entzogen, mehr Licht durchkam und der Boden trockener blieb. Diese kleinen unterschiedlichen Micro- Klimazonen finden wir alle in unseren Gärten.
Werfen unsere heimischen Wildpflanzen ihre Samen ab, werden sie weitergetragen von Ameisen, Wind, Wasser, Vögeln, dem eigenen Hund, der Katze oder anderen und treffen auf unterschiedliche Klimazonen in unserem Garten. Das Saatgut entscheidet selbst, wann die passenden Klimaverhältnisse zum Keimen stimmen und treiben dann erst aus. Das kann manchmal mehrere Jahre dauern. Das Saatgut hat - je nach Art- eine sehr lange Keimdauer und kann Jahre im Boden überdauern.
Deswegen sind wir auch manchmal völlig verwundert, dass eine Wildpflanze, die wir als verschwunden dachten, plötzlich an einer anderen Stelle mit völlig anderen Standortbedingungen wieder auftaucht.
Es ist enorm wichtig, dass unsere heimischen Pflanzen die Zeit bekommen, sich selbst entweder zu trainieren, das heißt im Rahmen von Extremwetterereignissen sich sowohl mit Dürre- als auch mit Dauerregenzeiten zu arrangieren und / oder sich an neuen Standortbedingungen im eigenen Garten - also auch anderen Microklimazonen - anzusiedeln. Das tun die Wildpflanzen in der freien Natur auch so. Sie wandern mit den Klimazonen.
Darum sprechen wir ja auch von der Dynamik im Garten und sehen, dass unsere Gärten jedes Jahr etwas anders aussehen. Wir können nicht erwarten, dass die Wildpflanzen, die wir an eine bestimmte Stelle im Garten gepflanzt hatten, dort für immer und ewig bleiben. Das funktioniert manchmal und manchmal nicht. Ein gutes Beispiel dafür sind sogenannte "Wanderer" wie z.B. das Vergissmeinnicht oder Akeleien. Sie wandern mit den Zonen und tauchen dort wieder auf, wo es für sie passt.
Wenn wir denken, dass wir an diese Stellen, wo jene Pflanzen verschwinden, wo wir sie mal gepflanzt hatten, doch besser immer mehr Neophyten zu pflanzen, nehmen wir unseren heimischen Pflanzen "Raum" für die Anpassungsstrategie des Wanderns weg. Denn dann ist diese "Klimazone" schon belegt.
Es spricht nichts dagegen den einen oder anderen Neophyten im Garten zwischen den heimischen Pflanzengesellschaften stehen zu haben, so lange man sie in Schach hält und sie nicht invasiv sind. Je mehr Neophyten allerdings im Garten, desto weniger heimische Artenvielfalt und schrumpfende Möglichkeiten sich mit dem Klimawandel auseinander zu setzen und anpassen zu können!
Am Beispiel der Kugeldisteln, die in letzter Zeit häufig im Rahmen des Klimawandels als Ersatz für unsere heimischen Disteln erwähnt wurden, kann ich aufgrund meiner Beobachtungen sagen, dass sie keine Bereicherung oder Ersatz darstellen! Ich habe mir vor einigen Jahren eine blaue gekauft, weil ich sie einfach nur schön fand und hatte ausreichend Gelegenheit sie zu beobachten und mit heimischen Disteln zu vergleichen! An unseren heimischen Disteln konnte ich im Frühjahr schon erheblich viele und verschiedene Blattläuse samt ihren Fressfeinden ( = unsere wertvollen Nützlinge im Garten, die wir locken wollen und brauchen!) beobachten, des weiteren habe ich Bohrungen/ Gänge in den Distelästen beobachtet, ebenso Wanzen, Gemeine Eichenschrecken, Ameisen, und unzählig viele verschiedene Insekten auf den Blüten ( angefangen von Käfern, Bienen, Hummeln und Bienen verschiedener Arten) . Die Distelfinken frequentierten sie regelmäßig um reife Samen zu picken. Hier nur mal ein paar bildliche Beispiele:
Was konnte ich im Gegensatz an den Kugeldisteln beobachten? Jede Menge an Honigbienen, ein paar Wildbienen und manchmal ein paar Hummeln. Keine anderen Insekten, nicht mal Blattläuse und keine Vögel. Auch keine Schnecken, die mir allerdings gerne auch die heimischen Disteln abraspeln.
WAS sagt mir das ? Unsere heimischen Insekten erkennen sie nicht als Futterpflanze. Sie werden nur von ein paar wenigen Arten genutzt. Sie mag eine Augenweide sein und die Seele des Betrachters erfüllen, sie ist mehrjährig, aber sie ist keine wertvolle Ersatzpflanze für unsere heimischen Disteln. Es sind teilweise potentiell invasive Neophyten ( insbesondere Echinops sphaerocephalus /Drüsenblättrige Kugeldistel), die unsere einheimischen Wildpflanzen verdrängen. BITTE beobachtet eure Pflanzen im Vergleich, bevor ihr Neophyten den Vorrang gebt!
Zumal unsere heimische Wildpflanzenvielfalt sowieso schon stark gefährdet ist und unser aller Hilfe braucht. Ich finde das wurde auch im Hortus Grevenstein dank @Grevenstein nochmal sehr eindringlich und deutlich hervorgehoben :
(Noch ein Zusatz für den Fall dass, dass sich jemand von euch beim Lesen daran stört, dass ich eine Kugeldistel in den Garten gepflanzt habe, kann ich beruhigen. Derartige Pflanzen werden von mir beobachtet, in Schach gehalten und wieder entfernt.)Eines der wichtigsten Elemente des Hortuskonzeptes ist es, einheimische Wildpflanzen zu fördern. Auf keinen Fall sollten invasive Neophyten bewusst gepflanzt werden, zumal es fast immer Alternativen gibt. Ebenso ist der Klimawandel kein Argument für Neophyten. Wir haben (noch) so unheimlich viele einheimische Wildpflanzen und darunter eine Menge, die es trocken mögen und auch wunderbar mit dem Klimawandel zurechtkommen. Meist sogar besser als Neopyhten, weil sie derbe Fröste vertragen, die in unseren Breiten durchaus auftreten können.
Viele unserer einheimischen Wildpflanzen sind gefährdet, stark gefährdet, vom Aussterben bedroht oder sogar ausgestorben bzw. nicht mehr nachweisbar. Sie sind auf unser aller Unterstützung angewiesen. Ich empfinde es als eine Pflicht, ihnen zu helfen und gleichzeitig ist ein Privileg, dies tun zu können. Man kann mit einheimischen Wildpflanzen im Hortus eine so herrliche Vielfalt schaffen und so viel Gutes tun!
viewtopic.php?p=16636#p16636