Als ich zum ersten Mal vom Prinzip des Waldgartens und dem großen Potenzial der Permakultur gehört habe, wurde ich neugierig. Welche Erträge lassen sich mit dieser Sammlung alten Wissens aus aller Welt unter Zuhilfenahme natürlicher Kreisläufe erzielen? Wie muss ein System gestaltet sein, damit es sich dauerhaft, mit möglichst wenig menschlichem Arbeitseinsatz selbst erhält? Also quasi Automatisierung mit Pflanzen und Tieren!
Das wollte ich in unserem Garten ausprobieren.
Bücher wurden verschlungen, unzählige Videos geschaut, der Garten in 5 Zonen eingeteilt und im Ganzen zur Versuchsfläche erklärt.
Als alter Natur- und Bauerngartenfan war mir schon immer klar, dass Chemie nicht in den Garten gehört, sich natürliche Bau- und Gestaltungsmaterialien wie Feldsteine und unbehandeltes Holz viel besser in die Natur einfügen als fragwürdige Designelemente, die es gerade in den Märkten zu kaufen gibt und die gerade modern sein sollen.
Wenn einmal die Pumpsprühflasche zum Einsatz kommt, dann lediglich für das Ausbringen von Brühen aus vorhandenen Kräutern wie z.B. Ackerschachtelhalm oder Brennessel.
Während meiner Recherche stieß ich auf das Hortus-Netzwerk und dachte mir: tolle Sache, die 3 Zonen finden sich auch in unserem Garten wieder, lediglich die Hotspotzone könnte noch etwas magerer und somit artenreicher werden. Da mach ich mit!
So entstand im sonnigen Remchingen, gut geschützt hinter einer gut 5m hohen Pufferzone, der Hortus Centaurea.
Die wilde Hecke in der u.a. Weißdorn, Hundsrose, roter Hartriegel, Eibe, Eberesche und Stechpalme wachsen, wird von ausgewachsenen alten Fliedern überragt. Da diese als Rankgerüst für Efeu und Waldrebe dienen und bei den Vögeln als Aussichtsplatz sehr beliebt sind, dürfen sie bleiben, bis das nützlichere Unterholz die Funktion des Schattenspenders und Sichtschutzes übernehmen kann.
Die Pufferzone geht fließend in einen noch jungen, essbaren Waldgarten über, wo wir schon bei der Ertragszone sind.
Da der ganze Garten nach den Prinzipien der Permakultur gestaltet ist, wird in dieser Zone besonderer Wert auf sich gegenseitig fördernde Pflanzengemeinschaften (Gilden) gelegt.
Neben Süßkirsche, Kornelkirsche, Mirabelle, Haselnuss, Felsenbirne, Stachelbeere und Johannisbeere sind hier auch Exoten wie Indianerbanane, Kiwi, Kaki, weiße Maulbeere und Honigbeere zu finden.
Als Bodendecker dienen zum Teil Erdbeeren, als Förderpflanzen sowie zum Schutz gegen Pflanzenkrankheiten und Schädlinge u.a. Knoblauch und Meerrettich.
Für die einjährigen Pflanzen stehen ein “Hybrid-Schlüsselloch-Hügelbeet”, sowie zwei erdebene Beete und der “Bill-Mollison-Gedächtnis-Kartoffelkasten” zur Verfügung.
Als Nährstoffzufuhr für die Beete dient Kompost, vermulchwurstetes Heu aus der Hotspotzone, Häckselgut aus der Pufferzone oder Jauche aus dem Brennesseldickicht neben dem Komposter, je nachdem was gerade zur Verfügung steht. Im Waldgarten stehen als Stickstofffixierer sibirische Erbsensträucher, wobei auch an anderer Stelle Weißklee diese Aufgabe als Unterpflanzung übernimmt.
Den größten Teil der Hotspotzone macht die nordwestliche Blumenwiese aus, die ein breites Spektrum von fett bis mager bietet und der durch Mähen mit der Sense und Abfuhr des Heus in die Ertragszone kontinuierlich weiter Nährstoffe entzogen werden.
Dies ist zwar eine Methode, die etwas Geduld erfordert, aber dennoch lässt sich jedes Jahr ein Mehr an heimischen Blühkräutern und tierischer Artenvielfalt beobachten.
Bereiche, in denen es schneller gehen sollte, wurden durch Ausbringen von Sand und Kies, welchen uns die Vorbesitzer hinterlassen haben, abgemagert.
Eine kleine Auswahl der dort vorkommenden Pflanzen: Flockenblume, Natternkopf, Ackerkratzdistel, Dill, Johanniskraut, wilde Möhre, Schafgarbe, wildes Silberblatt, Wiesenstorchenschnabel, wilde Malve, stinkender Storchschnabel, echter Steinklee, weißer Steinklee, Rotklee, Weißklee, Hornklee, Horn-Sauerklee, Vogel-Wicke, Wiesen-Labkraut, Gundermann, Gamander-Ehrenpreis, Frauenmantel, Huflattich, Oregano, botanische Krokusse, Schneeglöckchen u.v.a..
Als Naturmodule finden sich im Hortus neben zwei obligatiorischen Steinpyramiden u.a. ein Morschholzhaus, ein Käferkeller, ein Miniteich und ein Totholz-/Reisighaufen mit Igelhöhle.
Die bodenlebenden Wildbienen finden in der Wiese reichlich offene Stellen zum Nisten.
Mittlerweile ist alles ein großer Kreislauf, die ehemals häufigen Fahrten zum Häckselplatz haben sich weitestgehend erübrigt, da alles wiederverwendet werden kann. Aus Heu wird Flächenkompost, aus Strauch und Baumschnitt werden Hackschnitzel oder Flechtmaterial für Beetumrandungen. Das Laub der Bäume bleibt zum Humusaufbau im Waldgarten. Erdaushub von Pflanzlöchern wird je nach Humusgehalt zu trockenen Hügeln in der Hotspotzone oder für Kübelbepflanzungen genutzt.
Da die meisten Wunschpflanzen schon im Garten sind, kann das Saatgut überwiegend selbst gezogen werden.
Alles in Allem lässt sich der Garten jetzt nahezu zum Nulltarif bewirtschaften.
Und die Tierwelt? Nützliche Insekten, Vögel etc. finden den Garten zunehmend interessanter und lassen sich immer häufiger und in immer größerer Anzahl bei uns blicken – ein voller Erfolg!
Beim Spazierengehen in und um den Ort sieht man immer häufiger Gärten, in denen die heimische Tier und Pflanzenwelt gefördert wird – ich bin gespannt, wie sich die Hortus-Gemeinde in Remchingen und darüber hinaus weiterentwickelt.
Für alle Interessierten: seht ihr einen Menschen neben einem spitzen Steinhaufen – sprecht ihn an