Ralf Dahlheuser - Admin der Facebook-Gruppe Naturgarten - hat wieder einen guten Artikel geschrieben, diesmal passen zu diesem Thread:
"Da entbrennen ja neuerdings hitzige Diskussionen, die uns vor allem das Bundesamt für Naturschutz (BfN) eingebrockt haben. Ich sage bewusst „eingebrockt“ weil deren Einstufungen in vielen Fällen keineswegs den Tatsachen entsprechen. Um alles richtig einzuordnen muss man sich durch einen Wust von „Skripten“ arbeiten und selbst dann kommt man oft zu dem Ergebnis dass es keine gesicherten Erkenntnisse gibt weil ganz einfach die Datenlage es nicht hergibt oder vorhandene Daten nicht auf direkten Feldbeobachtungen beruhen, sondern auf Zweit- oder Drittquellen mit nicht selten fragwürdigen oder überholten Informationen.
Zitat BfN :
„In nicht wenigen Fällen stellte sich erst nach längerer Recherche heraus, dass die verfügbaren Daten keine belastbaren Aussagen erlauben. Ein generelles Problem bei der Auswertung sind die zahlreichen Sekundärangaben, die nicht nur in Internetquellen, sondern auch in wissenschaftlichen Originalarbeiten häufig zitiert werden. Die Prüfung der Originalquellen zeigte oftmals, dass publizierte Daten vereinfacht, verallgemeinernd oder falsch wiedergegeben werden. Aber auch bei einer korrekten Interpretation publizierter Daten bleibt eine gewisse Unschärfe, da nicht jeder Leser Literaturangaben in exakt derselben Weise versteht. Daher ist es besonders wichtig, 1) Einsicht in Originalquellen zu nehmen sowie 2) die Einstufung von Fachkollegen prüfen zu lassen. So werden unterschiedliche Meinungen nicht automatisch aufgelöst, aber durch die gemeinsame Diskussion lassen sich gewisse Differenzen klären und ein Ergebnis erzielen, das auf einer breiteren Basis ruht. „
Was bedeutet das nun für den Naturgärtner?
Zunächst einmal muss man die Methodik, sprich Listenkategorien, richtig einordnen.
Wir können davon ausgehen, dass alle als „invasiv“ gellisteten Arten tatsächlich eine Gefahr für unsere Natur darstellen und keinesfalls im Garten geduldet werden sollten. Dafür liegen selbst bei unvollständiger Datenlage ausreichend Erkenntnisse vor, die mindestens eine Gefährdung ausweisen. Der Umfang kann durchaus noch schlimmer sein
Danach folgen die „potentiell invasiven Arten“
Und da wird es problematisch.
Diese werden entweder in der Handlungsliste oder in der Beobachtungsliste geführt.
Zitat BfN:
„Handlungsliste: Enthält jene gebietsfremden Arten, für die begründete Annahmen vorliegen, dass sie entweder heimische Arten direkt gefährden oder Lebensräume so verändern, dass dies (indirekt) heimische Arten gefährdet. Die negativen Auswirkungen sind auf Grund ungenügenden Wissensstands derzeit nicht endgültig zu beurteilen, aber ausreichend, um Maßnahmen zu begründen.“
Wie bei den invasiven Arten liegen also Erkenntnisse vor, die eine Invasivität belegen, aber bei denen die genauen Auswirkungen nicht ausreichend dokumentiert sind. Bedeutet, sie richten Schaden an man weiß nur nicht wo und in welchem Umfang genau. Auch diese Arten sollten in keinem Garten zu finden sein.
Zitat BfN:
„Beobachtungsliste: Enthält jene gebietsfremden Arten, für die Hinweise vorliegen, dass sie entweder heimische Arten direkt gefährden oder Lebensräume so verändern können, dass dies (indirekt) heimische Arten gefährdet. Für diese Arten stehen Monitoring und Forschung im Vordergrund, weiter gehende Handlungen erscheinen auf Grund des geringen Kenntnisstands nicht gerechtfertigt zu sein.“
Hier findet sich u.a. auch die in der Gruppe heiß diskutierte Nachtkerze. Aber auch die Mahonie und der Blauglockenbaum. Und da wird es kompliziert für den Naturgärtner.
Entscheidungshilfe gibt es nur durch Feldbeobachtungen. Und die macht das BfN nicht selber. Aber wir als Gemeinschaft in Summe einzelner machen die sehr wohl. So wissen wir aus zahlreichen, oft mit Fotos belegten Beobachtungen, dass z.B. die Mahonie durchaus große Flächen besiedeln kann.
Vom Blauglockenbaum ist hinlänglich sein extrem schnelles Wachstum, verbunden mit einer sehr großen Blattmasse, bekannt und es gibt durchaus Beobachtungen von selbstständig erscheinenden Beständen die durch ihren Wuchs andere Pflanzen verdrängen. Auch von der ebenfalls hier eigeordneten Pfeilkresse sind Bestände bekannt, die lokal invasiven Charakter haben.
Von der Nachtkerze ist weder das eine noch das andere bekannt. Wir wissen, dass sie schnell „gestörte Böden“ besiedeln kann. Wir wissen aber auch, dass sie sehr konkurrenzschwach ist und recht schnell von heimischen Arten verdrängt oder eingedämmt wird. Das BfN schaut hier nur auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit, die aber alleine nicht maßgebend ist.
Nach allen Informationen in unserer Gruppe und darüber hinaus sollten wir daher weder die Mahonie, die Pfeilkresse noch den Blauglockenbaum im Garten dulden.
Ich weiß, dass macht kontroverse Diskussionen schwierig. Mangels (verständlicherweise) eigenem Wissen sind die meisten auf „Quellen“ angewiesen und das BfN ist eine davon. Zudem noch eine leicht zugängliche und leider auch unvollständige. Und je nach Standpunkt kann man diese Quellen so oder so interpretieren.
- Daher sollten wir uns immer an den Grundsatz halten, dass heimische Arten Neophyten immer vorzuziehen sind.
- Dass invasive oder gesichert potentiell invasive Arten der Handlungsliste aus den Gärten verbannt werden sollten.
- Das wir mit nicht invasiven Arten oder den „potentiell invasiven“ der Beobachtungsliste (ausgenommen Mahonie, Blauglockenbaum und Pfeilkresse) entspannter umgehen sollten. Man kann sie entfernen, muss sie aber nicht zwingend rausreißen.
- Und natürlich, dass bei Neupflanzungen oder Ansaaten immer heimische Arten zu bevorzugen sind.
Und dabei auch nicht vergessen, dass wir aufklären und überzeugen wollen, nicht belehren oder niedermachen. Wir geben Empfehlungen, keine ultimativen Aufforderungen. Wir diskutieren argumentativ und nicht beleidigend oder diffamierend.
Grade die Naturgartenneulinge stehen vor einem Wust an Informationen und Handlungsbedarf und -möglichkeiten. Und kaum einer von uns hat seinen Naturgarten in kürzester Zeit auf einen idealen Stand gebracht. Jeder braucht Zeit zum lernen und handeln. Und die wollen wir allen gewähren.
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Last but not least sollten wir uns vor Augen halten, dass nicht nur ein Naturgarten ein sich ständig verändernder Prozess ist, sondern vor allem die Natur. Und dort können wir nicht helfend eingreifen. So wissen wir heute nicht, welche Neophyten sich in Zukunft wie in der Natur verhalten werden. Heute harmlose Arten können morgen invasiv werden, heute invasive können zurückgehen. Der Klimawandel machts möglich.
Geht mit offenen Augen durch die Natur, meldet Beobachtungen z.B. in Observation.org oder Naturgucker und helft mit, Daten zu sammeln die gerechtfertigte und nötige Maßnahmen erlauben."
https://neobiota.bfn.de/invasivitaetsbe ... anzen.html
https://neobiota.bfn.de/invasivitaetsbe ... hodik.html
"Und während die Welt ruft… Du kannst nicht alle retten! …flüstert die Hoffnung… Und wenn es nur einer ist… Versuch es! Sylvia Raßloff