Wir sind ein Gartenkollektiv aus ursprünglich sechs, mittlerweile – nach dem Tod einer Mitgärtnerin – nur noch fünf Menschen. Wir sind uns nicht immer einig, was Vielfalt, Schönheit und Nutzen bedeutet.
Unser Garten im Münchner Stadtteil Neuperlach ist ein „Abstandsgrün“ der Stadtwerke München, das als „Freizeitgrundstück“ vermietet wird. Der Garten liegt inmitten einer Mehrfamilienhaussiedlung, die unter einem hohen Nachverdichtungsdruck steht. Aus kleinen Einfamilienhäusern mit großem Gärten entstehen Mehrfamilienhäuser mit keinen Gärten.
Wir übernahmen den Garten im Juni 2018 von unserem Vormieter. Seitdem sind wir dabei, ihn von einem „Fußballplatz“ in einen Lebensraum zu verwandeln. Im November 2021 bekamen wir nach einer eingehenden Prüfung der Gartenbauvereine München das Zertifikat „Naturgarten – Bayern blüht“.
Ein Holunder wurde zum Mittelpunkt des Gartens. Holunder ist robust, wächst sehr schnell und kann somit auch schnell langfristig den dringend benötigten Schatten bieten. Und er erfreute bereits im zweiten Jahr Rosenkäfer und andere Insekten mit seinen Blüten. Beeren konnten wir bisher noch nicht ernten, da jedes Jahr die Vögel schneller waren.
Ertragszone:
Ein Garten ist kein Garten, ohne Gemüse und Obst. Die Ertragszone wurde komplett neu angelegt und Stück für Stück mit neuen Anbauflächen erweitert. Derzeit gibt es ein Beet für mediterrane Kräuter und fünf Beete mit Mischkultur und/oder Fruchtfolge. Für Bestäuber und Bodengesundheit werden zusätzlich am Rand stets Ringelblumen, Borretsch und andere Blühpflanzen gesät. Eine besondere Freude ist jedes Jahr das Milpa-Beet. Es bringt nicht nur hohe Erträge, sondern ist als sommerlicher Dschungel auch ein Ort für viele Insekten.
Gedüngt wird mit eigenem Kompost, Mulch, Brennesseljauche, Hornspäne, Schafwolle und dem Inhalt der Komposttoilette. Außerdem wird jeden Herbst eine Gründüngung gesät, wenn das Beet nicht über den Winter bewirtschaftet wird.
Die Beete sind einfache Kompostbeete ohne Umgraben. Zum einen, weil unser Boden aus der Münchner Schotterebene besteht und niemand von uns all diese Steine aus dem Boden graben möchte. Zum anderen, weil dadurch die Bodenbewohner nicht gestört werden und ihrer Arbeit nachgehen können. Der Kompost stammt nach dem Prinzip der Permakultur zum allergrößten Teil von uns selbst. Die Beete werden mit Stroh (im Frühjahr), Grasschnitt und Beikräutern gemulcht. Strohkerne, die im Frühjahr eingearbeitet wurden, bilden eine gute Bewässerungsbasis. Auch die Schnecken leben gerne darin.
Nach vier Jahren kann die Ertragszone 5 Menschen im Sommer zum großen Teil mit Gemüse und Obst versorgen. Dieses Jahr gibt es erstmals einen Anbau für den Winter.
Hotspot-Zone:
Auch die Hotspot-Zonen wurden neu angelegt und nach und nach erweitert. Derzeit gibt es vier Magerzonen und zwei Staudenbeete mit nicht abgemagertem Gartenboden.
Bild: Magerbeete
Die Magerzonen sollen nach und nach erweitert werden. Der Rasen wird zweimal im Jahr Stück für Stück gesenst und das Schnittgut auf die Ertragszonen als Mulch aufgebracht.
Naturmodule:
– Ein Gartenteich wurde als Hochteich angelegt, da in unserem Mietvertrag verankert ist, dass wir keine tiefen Löcher graben dürfen. Sobald wir ihn angelegt hatten, wussten wir, dass alles Leben im Garten Wasser braucht: Vögel und auch Schnecken baden darin, Insekten und Vögel trinken daraus, viele Libellen nutzen ihn als Brutstätte. Der Sumpfbereich ist ein Insektenmagnet. Wir hätten gerne einen „richtigen“ Teich im Boden, aber dazu müssten wir erst noch mit der Stadt sprechen – und das wird schwierig bürokratisch werden und dauert.
– Sumpfbeet: Da das Sumpfbeet im Teich so ein Erfolg ist, haben wir noch ein extra Sumpfbeet in einer
– Die Pyramide wurde an der Südseite mit Hauswurzen bestückt. Wahrscheinlich nisten Insekten darin. Amphibien oder Reptilien werden sich wohl nicht einfinden, denn ein Garten in der Nachverdichtung macht noch keinen Sommer.
Tiere:
– Igel: Die Umgestaltung in einen Naturgarten fing mit einer Igelin an, die wir zur Auswilderung in den Garten holten. Denn: was braucht eine Igelin?
Im hinteren Teil des Gartens haben wir eine wilde Ecke, in der wir gar nichts tun. Dort befinden sich auch zwei Totholzhaufen, in denen jeweils eine mit Ziegelsteinen gebaute Igelburg als Winterquartier verbaut wurde. Wegen des Insektensterbens werden die Igel das ganze Jahr über (außer in der Winterschlafphase) mit Katzenfutter gefüttert. Dazu gibt es zwei Futterhäuschen mit Labyrinth und Rattenklappen und natürlich Wasserstellen, an denen auch der Igel trinken kann. Mittlerweile gab es Nachwuchs. Die Futterhäuschen werden auch gerne als Wohnhäuschen benutzt. Zwei der drei Igelkinder wurden direkt vor unserem Garten überfahren. Deshalb gibt es nun ein Warnschild.
– Vögel: Anfangs gab es nur ein Amselpärchen. Seitdem wir die Vögel das ganze Jahr über füttern haben sich auch andere Arten eingefunden: Tannenmeisen, Blaumeisen, Kohlmeisen, Rotkehlchen, Grünfinken, Buntspechte, Eichelhäher, Spatzen, Grasmücken und Elstern.
Seitdem wir die Vögel ganzjährig füttern, haben wir wieder Buchsbäume, denn die Meisen verfüttern die Raupen des Buchsbaumzünslers an ihre Jungen, und auch mit Blattläusen und anderen widrigen Insekten haben wir kein Problem mehr.
Pufferzone:
Die Pufferzone besteht zwei Seiten Hartriegel-Hecke mit einer alten Haselnuss, zwei Seiten Thuja-Hecke und einem sehr alten Efeu, der jeden Herbst zu einem Insektenmagnet wird und sich mit Ausläufern gerne verbreitet. Die Pufferzone wurde erweitert mit einer Schlehe und igelgerechten Totholz-, Laub – und Reisighaufen in einer wilden Ecke. Eine ca. 20 m große Fichte dient an der Südseite als Lebensraum für einer Gang an Tannenmeisen. Sie wird deshalb auch bleiben. Die reich tragende Haselnuss beschenkt uns, Eichhörnchen, Mäusen, Vögeln und jedes Frühjahr die Insekten als Frühblüher.
Die Thujen wurden an einer Stelle bereits entastet und mit Totholz aufgefüllt. An anderen Stellen sind sie noch ein Stück Arbeit, die mit Abprache zu den Nachbarn erfolgen wird. Da die Thujen jedoch sehr alt und groß sind und uns dieses Grundstück nicht gehört, werden sie an einigen Stellen bleiben müssen. Ein Hortus alleine macht noch keinen Sommer.