Gelegentlich gehe ich mit mir selbst ins Gericht und frage mich, wie ehrlich ich zu mir selbst bin.
Grundsätzlich ist ja jede einheimische blühende Pflanze und jedes Stück eigenes Gemüse hilfreich. Das will ich nicht infrage stellen.
Aber wie konsequent bin ich?
Dass ich es mir erlauben kann, mit leichter Hand, ohne Maschinen und Chemie zu gärtnern, hat natürlich auch damit zu tun, dass ich für mein Überleben nicht darauf angewiesen bin, denn die meisten Lebensmittel kaufe ich immer noch im Supermarkt.
Ich führe ein recht genügsames Leben. Aber auch das ist auch nicht schwer, wenn man finanziell abgesichert ist und in der Stadt lebt, wo im Fall des Falles doch alles leicht verfügbar ist.
Auf Flugreisen zu verzichten, fällt mir überhaupt nicht schwer. Ich glaube, ich habe eine leichte Form von Agoraphobie (Angst vor großen Plätzen/Städten/Reisen an unbekannte Orte u.ä.) Da fällt es mir also nicht schwer, Verzicht zu predigen und auch zu praktizieren.
Was ich sagen will: Der Natur ist es natürlich egal, ob ich aus Überzeugung nicht fliege, aus Armut, wegen Zeitmangel oder wegen Flugangst …
Aber wieviel sind meine Ideale wert, wenn die nur funktionieren, solange es einen „doppelten Boden“ gibt?
Zu Hause habe ich keinen Computer, nur ein Handy. Aber für meinen VHS-Onlinekurs nutze ich den Laptop von der Arbeit. Zu Hause heize ich wenig und habe auch keine Klimaanlage - aber das Büro, wo ich als Angestellte arbeite, ist natürlich beheizt und klimatisiert etc. - aber dort bin ich nicht dafür verantwortlich. Wie weit würde meine Bereitschaft, zu frieren oder zu schwitzen, wirklich gehen?
Versteht ihr, was ich meine? Kennt ihr solche Gedanken?
Umsonst ist es natürlich nie, „gute Taten“ zu tun, auch wenn man nicht perfekt ist. Aber Ideale haben und predigen ist leicht, solange uns niemand zwingt, sie wirklich konsequent umzusetzen.
Nachhaltigkeit und grüner Ablasshandel - wie ehrlich bin ich zu mir selbst?
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Re: Nachhaltigkeit und grüner Ablasshandel - wie ehrlich bin ich zu mir selbst?
Ich kenne solche Gedanken gut.
Aber ich meine, dass es keinen Mehrwert für irgendjemanden hat, sich selber zu geißeln, weil man es unverdienterweise einfach gut hat wie wir alle, die zufällig in dieser gesegneten Klimazone in diesem reichen Land geboren sind.
Das ist ja eigentlich eine philosophische oder sogar religiöse Frage. Adorno schrieb "es gibt kein richtiges Leben im falschen" (oder, ursprünglich: "Es lässt sich privat nicht mehr richtig leben").
Die Frage, wie weit ich bereit wäre, für meine Überzeugung zu gehen, kann ich nicht beantworten, solange ich nicht in der Situation bin, es beweisen zu müssen. Bis dahin kann ich nur hoffen und dafür "arbeiten", dass ich weiß, wer ich in der Tiefe bin. Dass ich meine Ängste kenne und mich mit ihnen so beschäftige, dass sie mich nicht lahmlegen können, wenn es ernst wird. Zum Glück kann man das ja jeden Tag üben ;-) , es gibt schließlich eine Menge Ungerechtigkeit und "Falsches" auf der Welt, was sich auch im alltäglichen Umgang mit den Mitmenschen manifestiert.
Und ganz allgemein halte ich in den meisten Fällen nichts von Absolutheit und nie etwas von Gnadenlosigkeit.
Ich bin überzeugt, dass es nicht die Erfindung der Flugzeuge ist, die die Welt zugrunde richtet oder dass wir es im Winter gern warm hätten. Das sind alles solch multifaktorielle Geschehnisse... Wenn nur die Menschen flögen, die ein Mal im Jahr ihre Familie auf der andere Seite der Erde besuchen wollten, wäre das vielleicht gar kein Problem.
Es stimmt, der Natur ist es völlig egal, WARUM wir (nicht) fliegen. Aber für uns ist es wichtig. Mit "religiös" oben meinte ich so etwas in der Art, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass jemand WIRKLICH glücklich sein kann, solange es noch so viel Unglück auf der Welt gibt. Und solange ich zum Ausspannen Weihnachten auf die Malediven jette, produziere ich Unglück - unmittelbar oder mittelbar. Wenn ich Fleisch esse produziere ich in den meisten Fällen Unglück (zusätzlich zum Töten des jeweiligen Tieres) - ich holze Regenwald ab, ich produziere Monokultur, ich beteilige mich an der Auslöschung von Kulturen usw. Ich glaube, auch wenn ich daran nicht denke(n will/kann), macht es im Endeffekt nicht glücklich.
Und da macht es insgesamt schon einen Unterschied, aus welcher Motivation heraus ich handle. Glaube ich zu glauben...
Was mich oft ärgert ist, wenn jemand sich nicht leisten kann, das geerbte Häuschen zu dämmen und deshalb als schlimmer Sünder abqualifiziert wird von Menschen, die zum Ausspannen Gletscherski fahren, ihr Anwesen aber top auf dem neuesten Stand haben mit Photovoltaik, Geothermie usw. Das ist nur ein Beispiel.
Wenn alle "einfach" nur das konsumierten, was sie brauchen, um gut und würdig zu leben - das wäre schon ein solch immenser Unterschied!
Es gibt viele Themen, die mich da so wütend machen. Z. B. die dauernde Erzählung: "Mit Bio könnten wir die Welt nicht ernähren". Das STIMMT vermutlich - wenn man im bestehenden System denkt. Wenn ich von heute auf morgen auf dem riesigen, leeren, toten Acker Biosaatgut ausbringe und warte, ist meine Ernte mit großer Wahrscheinlichkeit kleiner. Aber das ist doch kein Beweis, dass es mit einem anderen System nicht möglich wäre! Ich bin überzeugt, es ist sogar die EINZIGE Möglichkeit, kleinteiliger zu werden und menschliche Bedürfnisse (Ackerfläche) und Biodiversität (und Humusaufbau, CO2-Speicherung) gemeinsam zu denken.
Ich glaube, ich habe das schön öfter gesagt, aber ich finde es von Tag zu Tag wichtiger: Keine:r von uns kann die Welt allein retten. Es braucht politische Lösungen/Vorgaben/Handlung.
Denn auch, wenn du super bescheiden nur aus deinem Garten lebst und dich aus dem Kleidercontainer kleidest und im Winter frierst, bist du Teil unseres Systems. Wenn du mutig bist, sorgst du im Büro dafür, nicht aus dem Fenster zu heizen oder im Sommer bei 18 Grad da zu sitzen, und fragst im Supermarkt, warum um Himmels Willen ihr frischer Knoblauch aus Argentinien kommt (gestern bei mir gesehen), wo es ihn selbst aus Deutschland noch frisch gibt.
Ich glaube, wir können soziale Fragen und Klimaschutz und Artenschutz nicht getrennt denken. Und das macht es so wahnsinnig kompliziert und langsam.
Was bisschen schade ist, weil wir die Zeit leider gar nicht mehr haben.
Und leider gehen wir, so scheint mir, gerade nicht mehr langsam, sondern rückwärts.
Aber ich meine, dass es keinen Mehrwert für irgendjemanden hat, sich selber zu geißeln, weil man es unverdienterweise einfach gut hat wie wir alle, die zufällig in dieser gesegneten Klimazone in diesem reichen Land geboren sind.
Das ist ja eigentlich eine philosophische oder sogar religiöse Frage. Adorno schrieb "es gibt kein richtiges Leben im falschen" (oder, ursprünglich: "Es lässt sich privat nicht mehr richtig leben").
Die Frage, wie weit ich bereit wäre, für meine Überzeugung zu gehen, kann ich nicht beantworten, solange ich nicht in der Situation bin, es beweisen zu müssen. Bis dahin kann ich nur hoffen und dafür "arbeiten", dass ich weiß, wer ich in der Tiefe bin. Dass ich meine Ängste kenne und mich mit ihnen so beschäftige, dass sie mich nicht lahmlegen können, wenn es ernst wird. Zum Glück kann man das ja jeden Tag üben ;-) , es gibt schließlich eine Menge Ungerechtigkeit und "Falsches" auf der Welt, was sich auch im alltäglichen Umgang mit den Mitmenschen manifestiert.
Und ganz allgemein halte ich in den meisten Fällen nichts von Absolutheit und nie etwas von Gnadenlosigkeit.
Ich bin überzeugt, dass es nicht die Erfindung der Flugzeuge ist, die die Welt zugrunde richtet oder dass wir es im Winter gern warm hätten. Das sind alles solch multifaktorielle Geschehnisse... Wenn nur die Menschen flögen, die ein Mal im Jahr ihre Familie auf der andere Seite der Erde besuchen wollten, wäre das vielleicht gar kein Problem.
Es stimmt, der Natur ist es völlig egal, WARUM wir (nicht) fliegen. Aber für uns ist es wichtig. Mit "religiös" oben meinte ich so etwas in der Art, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass jemand WIRKLICH glücklich sein kann, solange es noch so viel Unglück auf der Welt gibt. Und solange ich zum Ausspannen Weihnachten auf die Malediven jette, produziere ich Unglück - unmittelbar oder mittelbar. Wenn ich Fleisch esse produziere ich in den meisten Fällen Unglück (zusätzlich zum Töten des jeweiligen Tieres) - ich holze Regenwald ab, ich produziere Monokultur, ich beteilige mich an der Auslöschung von Kulturen usw. Ich glaube, auch wenn ich daran nicht denke(n will/kann), macht es im Endeffekt nicht glücklich.
Und da macht es insgesamt schon einen Unterschied, aus welcher Motivation heraus ich handle. Glaube ich zu glauben...
Was mich oft ärgert ist, wenn jemand sich nicht leisten kann, das geerbte Häuschen zu dämmen und deshalb als schlimmer Sünder abqualifiziert wird von Menschen, die zum Ausspannen Gletscherski fahren, ihr Anwesen aber top auf dem neuesten Stand haben mit Photovoltaik, Geothermie usw. Das ist nur ein Beispiel.
Wenn alle "einfach" nur das konsumierten, was sie brauchen, um gut und würdig zu leben - das wäre schon ein solch immenser Unterschied!
Es gibt viele Themen, die mich da so wütend machen. Z. B. die dauernde Erzählung: "Mit Bio könnten wir die Welt nicht ernähren". Das STIMMT vermutlich - wenn man im bestehenden System denkt. Wenn ich von heute auf morgen auf dem riesigen, leeren, toten Acker Biosaatgut ausbringe und warte, ist meine Ernte mit großer Wahrscheinlichkeit kleiner. Aber das ist doch kein Beweis, dass es mit einem anderen System nicht möglich wäre! Ich bin überzeugt, es ist sogar die EINZIGE Möglichkeit, kleinteiliger zu werden und menschliche Bedürfnisse (Ackerfläche) und Biodiversität (und Humusaufbau, CO2-Speicherung) gemeinsam zu denken.
Ich glaube, ich habe das schön öfter gesagt, aber ich finde es von Tag zu Tag wichtiger: Keine:r von uns kann die Welt allein retten. Es braucht politische Lösungen/Vorgaben/Handlung.
Denn auch, wenn du super bescheiden nur aus deinem Garten lebst und dich aus dem Kleidercontainer kleidest und im Winter frierst, bist du Teil unseres Systems. Wenn du mutig bist, sorgst du im Büro dafür, nicht aus dem Fenster zu heizen oder im Sommer bei 18 Grad da zu sitzen, und fragst im Supermarkt, warum um Himmels Willen ihr frischer Knoblauch aus Argentinien kommt (gestern bei mir gesehen), wo es ihn selbst aus Deutschland noch frisch gibt.
Ich glaube, wir können soziale Fragen und Klimaschutz und Artenschutz nicht getrennt denken. Und das macht es so wahnsinnig kompliziert und langsam.
Was bisschen schade ist, weil wir die Zeit leider gar nicht mehr haben.
Und leider gehen wir, so scheint mir, gerade nicht mehr langsam, sondern rückwärts.
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Re: Nachhaltigkeit und grüner Ablasshandel - wie ehrlich bin ich zu mir selbst?
Habe nachgedacht und bekenne: Ich mache mit mir manchmal so einen Ablasshandel über die Zeit.
Ich habe früher relativ bescheiden gelebt, weil ich es richtig fand. Ich achtete schon während der Schule, dass ich nur Kleidung erwerbe, die ich notfalls kompostieren könnte (kein Mischgewebe mit Kunststoff), trug alles, bis es unstopfbar wurde, ich war eine der Komischen mit den Strickpullis, versuchte Papier zu sparen und nur Recyclingpapier zu benutzen, schleppte Kinder und Einkäufe mit dem Fahrradanhänger den Berg hoch, fand mich gut, wenn ich im Winter kaum heizte, weil ich es irgendwie auch cool (haha, Wortspiel) fand, na, das ganze Programm.
Während dessen begann die Welt um mich herum, mehr und mehr zu konsumieren, die Gleichaltrigen fingen an, sich Autos zu kaufen (ja, genau, Plural) und in großen Wohnungen zu wohnen, Reisen zu machen oder Güter anzuschaffen... Naja, und dann sage ich mir, wenn ich JETZT das Auto benutze, weil ich Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zunehmend ätzend finde, wenn ich mir teure Kleidungsstücke oder Gegenstände, die ich gar nicht unbedingt brauche, die mich aber durch ihre Schönheit beglücken, wenn ich Hundefutter in Dosen kaufe, weil es praktisch ist: Komm, das darf ich doch jetzt auch mal!
Und dann gibt es noch diese Bockigkeit, die mir verbietet, z. B. Plastikzeugs oder Zigarettenstummel aufzuheben und zu entsorgen. Weil es mich so dermaßen wütend macht und ich mich wie gedemütigt fühle, dass ich den Sch..ß von A...löchern aufheben soll. Dabei würde ich es ja für die Natur tun und nicht für die. Aber ich bekomme das mit mir einfach noch nicht hin, da kreischt mein Ego einfach zu schrill, das kann ich einfach nicht.
Ich habe früher relativ bescheiden gelebt, weil ich es richtig fand. Ich achtete schon während der Schule, dass ich nur Kleidung erwerbe, die ich notfalls kompostieren könnte (kein Mischgewebe mit Kunststoff), trug alles, bis es unstopfbar wurde, ich war eine der Komischen mit den Strickpullis, versuchte Papier zu sparen und nur Recyclingpapier zu benutzen, schleppte Kinder und Einkäufe mit dem Fahrradanhänger den Berg hoch, fand mich gut, wenn ich im Winter kaum heizte, weil ich es irgendwie auch cool (haha, Wortspiel) fand, na, das ganze Programm.
Während dessen begann die Welt um mich herum, mehr und mehr zu konsumieren, die Gleichaltrigen fingen an, sich Autos zu kaufen (ja, genau, Plural) und in großen Wohnungen zu wohnen, Reisen zu machen oder Güter anzuschaffen... Naja, und dann sage ich mir, wenn ich JETZT das Auto benutze, weil ich Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zunehmend ätzend finde, wenn ich mir teure Kleidungsstücke oder Gegenstände, die ich gar nicht unbedingt brauche, die mich aber durch ihre Schönheit beglücken, wenn ich Hundefutter in Dosen kaufe, weil es praktisch ist: Komm, das darf ich doch jetzt auch mal!
Und dann gibt es noch diese Bockigkeit, die mir verbietet, z. B. Plastikzeugs oder Zigarettenstummel aufzuheben und zu entsorgen. Weil es mich so dermaßen wütend macht und ich mich wie gedemütigt fühle, dass ich den Sch..ß von A...löchern aufheben soll. Dabei würde ich es ja für die Natur tun und nicht für die. Aber ich bekomme das mit mir einfach noch nicht hin, da kreischt mein Ego einfach zu schrill, das kann ich einfach nicht.
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Re: Nachhaltigkeit und grüner Ablasshandel - wie ehrlich bin ich zu mir selbst?
Du hast doch wirklich viele Jahre konsequent deine Werte gelebt und tust das auch heute noch, wenn es kräftemäßig geht. Davon, dass du auf dem Zahnfleisch den Berg hochkriechst, wird die Welt ja dann auch nicht gerettet.
Du hast das alles schön beobachtet und gut beschrieben. Ja, ich glaube, die Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten ist der Knackpunkt. Wolfgang Schmidbauer hat das schon in den 70er Jahren (!) so schön beschrieben: Wir wollen den Kuchen aufessen und ihn gleichzeitig behalten. Das heißt: Wir wollen, dass sich was ändert, aber bitte nicht an unseren Gewohnheiten.
Mir sind in den letzten Tagen die in meinem ersten Post beschriebenen Gedanken gekommen, als ich in den Nachrichten Beiträge über den Parteitag der Grünen gelesen habe, und dann im Zusammenhang mit dem Black Friday. Und da sind in meinem Inneren zwei Fragen aufgeploppt:
1. Wie „radikal“ in ich wirklich, wenn ich, sagen wir, bei der Bundestagswahl eine unbekannte kleine Naturschutzpartei wähle, die hehre Ziel und vermeintlich radikale Ziele vertritt, wobei ich als Wählerin beruhigt davon ausgehen kann, dass es diese Partei sowieso nicht in die Regierung schafft, sodass ich also auch keine Angst haben muss, an meinem bequemen Leben was ändern zu müssen - und weiterhin mit dem Finger auf andere zeigen kann.
2. Wie genügsam und „minimalistisch“ bin ich, wenn ich mich von Dingen trenne, die ich ohnehin leichten Herzens nachkaufen könnte, und diese Dinge dann einfach außer Haus/bei anderen nutze. Naja, gemeinsame Nutzung von Dingen ist auf jeden Fall gut. Aber die moralische Überheblichkeit kann man sich verkneifen.
Du hast es gut geschrieben: Man muss sich darüber klarwerden, wer man ist und was man wirklich will. Und man muss sich mit den eigenen Ängsten auseinandersetzen und kluge Lösungen finden.
Wenn ich mich nur noch aus dem eigenen Garten ernähren würde, wäre das System auch extrem anfällig. Einmal eine Überschwemmung wie 2002 und ich würde verhungern. Also muss ich eine maßvolle Lösung finden.
Du hast das alles schön beobachtet und gut beschrieben. Ja, ich glaube, die Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten ist der Knackpunkt. Wolfgang Schmidbauer hat das schon in den 70er Jahren (!) so schön beschrieben: Wir wollen den Kuchen aufessen und ihn gleichzeitig behalten. Das heißt: Wir wollen, dass sich was ändert, aber bitte nicht an unseren Gewohnheiten.
Mir sind in den letzten Tagen die in meinem ersten Post beschriebenen Gedanken gekommen, als ich in den Nachrichten Beiträge über den Parteitag der Grünen gelesen habe, und dann im Zusammenhang mit dem Black Friday. Und da sind in meinem Inneren zwei Fragen aufgeploppt:
1. Wie „radikal“ in ich wirklich, wenn ich, sagen wir, bei der Bundestagswahl eine unbekannte kleine Naturschutzpartei wähle, die hehre Ziel und vermeintlich radikale Ziele vertritt, wobei ich als Wählerin beruhigt davon ausgehen kann, dass es diese Partei sowieso nicht in die Regierung schafft, sodass ich also auch keine Angst haben muss, an meinem bequemen Leben was ändern zu müssen - und weiterhin mit dem Finger auf andere zeigen kann.
2. Wie genügsam und „minimalistisch“ bin ich, wenn ich mich von Dingen trenne, die ich ohnehin leichten Herzens nachkaufen könnte, und diese Dinge dann einfach außer Haus/bei anderen nutze. Naja, gemeinsame Nutzung von Dingen ist auf jeden Fall gut. Aber die moralische Überheblichkeit kann man sich verkneifen.
Du hast es gut geschrieben: Man muss sich darüber klarwerden, wer man ist und was man wirklich will. Und man muss sich mit den eigenen Ängsten auseinandersetzen und kluge Lösungen finden.
Wenn ich mich nur noch aus dem eigenen Garten ernähren würde, wäre das System auch extrem anfällig. Einmal eine Überschwemmung wie 2002 und ich würde verhungern. Also muss ich eine maßvolle Lösung finden.
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Re: Nachhaltigkeit und grüner Ablasshandel - wie ehrlich bin ich zu mir selbst?
Meine Devise ist häufig nur noch: Welche (Kauf-)Entscheidung macht mich weniger unglücklich? Heißt, mit welchen Auswirkgungen kann ich besser leben?
Kaufe ich sechs Regalbretter aus dem hiesigen Baumarkt - ohne Zertifikat des Holzes, dafür mit regionalen Arbeitsplätzen inkl. deutschem/ EU-Arbeitnehmerrechten und Arbeitsschutzgesetzen, Mindestlohn oder schicke ich für zertifiziertes Holz Schiffe und Laster, deren soziale Arbeitsbedinungen ich nicht kenne, durch die Gegend?
Das beste Produkt ist das, das man nicht kauft.
Der grüne Ablasshandel hat einen neuen Namen: "CO2-Handabdruck" - das positive Pendant zum Fußabdruck. Hier geht es also um Einsparungen, die man sich auch erkaufen kann.
Apropos: Ein Kollege, der beruflich mehrmals im Jahr fliegen muss, berichtete, dass mitunter auch Beträge für den CO2-Ausgleich des Fluges von Fördermittelträgern übernommen werden. Steuergelder für Bäumchen von hinten durch die Brust ins Auge. Find ich gut.
Kaufe ich sechs Regalbretter aus dem hiesigen Baumarkt - ohne Zertifikat des Holzes, dafür mit regionalen Arbeitsplätzen inkl. deutschem/ EU-Arbeitnehmerrechten und Arbeitsschutzgesetzen, Mindestlohn oder schicke ich für zertifiziertes Holz Schiffe und Laster, deren soziale Arbeitsbedinungen ich nicht kenne, durch die Gegend?
Das beste Produkt ist das, das man nicht kauft.
Der grüne Ablasshandel hat einen neuen Namen: "CO2-Handabdruck" - das positive Pendant zum Fußabdruck. Hier geht es also um Einsparungen, die man sich auch erkaufen kann.
Apropos: Ein Kollege, der beruflich mehrmals im Jahr fliegen muss, berichtete, dass mitunter auch Beträge für den CO2-Ausgleich des Fluges von Fördermittelträgern übernommen werden. Steuergelder für Bäumchen von hinten durch die Brust ins Auge. Find ich gut.
"Das Äußere einer Pflanze ist nur die Hälfte ihrer Wirklichkeit." (Wolle Goethe)
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Re: Nachhaltigkeit und grüner Ablasshandel - wie ehrlich bin ich zu mir selbst?
Verstehe ich sehr gut solche Gedanken. Mit dem 'Luxus-backup' den wir alle um uns rum haben ist das naturnahe Gärtnern recht einfach.
Ganz spannend fand ich einen Besuch bei einer ganz lieben Freundin in Litauen (wenn du das jetzt liest - wink wink :-)) (und, ja, es gibt auch Hortusforumleser in Litauen!)
Das fängt es schon an, dass es keine Baumschulen gibt. Einen dem Klima angepassten Apfelbaum muss man sich dort einfach selbst groß ziehen. Da gibt es den Luxus nicht, dass ich mir aussuchen kann welchen Apfel ich genau haben möchte. Stauden bestellen? Saatgut bestellen? Und das bitte in Bio und samenfest? Pflanzentauschbörsen? - gibts alles nicht.
Bei den Nachbarn schauen (die ein paar km entfernt wohnen) ist da angesagt. Oder wirklich das eigene Saatgut ernten. Ohne backup.
Im Winter können die Straßen auch mal für ein paar Wochen nicht befahrbar sein und wenn es wirklich kalt ist auch mal der Brunnen eingefroren sein. Da gibts dann auch kein backup-Supermarkt. Wasser für die Hühner, Pferde, Menschen werden am See geholt. Zu essen gibt es das was eingelagert ist.
Dort gibt es auch keinen Müll. Das was wir hier alle horteln an Sperrmüll oder von Kleinanzeigen für kleines Geld - gibts auch nicht. Selbst der schrottigste Sperrmüll wird für teures Geld verkauft. Da gibts nicht mal eben eine Regal/Tisch/Sofa/Strangfalzziegel quasi geschenkt. Upcycling wird von jedem an Ort und Stelle praktiziert. Da ist nichts übrig.
Mal eben Kompost holen vom Kompostplatz gibt es auch nicht. Nur das was selbst produziert ist gibt es.
Das ist nochmal eine ganz andere Nummer als das was wir hier im Überfluss leben.
Ich fange mal ganz klein an: mein Waschmittel ist nun aufgebraucht. Ich habe Kastanien und werde nun so tun als gäbe es kein Waschmittel zu kaufen.
Ganz spannend fand ich einen Besuch bei einer ganz lieben Freundin in Litauen (wenn du das jetzt liest - wink wink :-)) (und, ja, es gibt auch Hortusforumleser in Litauen!)
Das fängt es schon an, dass es keine Baumschulen gibt. Einen dem Klima angepassten Apfelbaum muss man sich dort einfach selbst groß ziehen. Da gibt es den Luxus nicht, dass ich mir aussuchen kann welchen Apfel ich genau haben möchte. Stauden bestellen? Saatgut bestellen? Und das bitte in Bio und samenfest? Pflanzentauschbörsen? - gibts alles nicht.
Bei den Nachbarn schauen (die ein paar km entfernt wohnen) ist da angesagt. Oder wirklich das eigene Saatgut ernten. Ohne backup.
Im Winter können die Straßen auch mal für ein paar Wochen nicht befahrbar sein und wenn es wirklich kalt ist auch mal der Brunnen eingefroren sein. Da gibts dann auch kein backup-Supermarkt. Wasser für die Hühner, Pferde, Menschen werden am See geholt. Zu essen gibt es das was eingelagert ist.
Dort gibt es auch keinen Müll. Das was wir hier alle horteln an Sperrmüll oder von Kleinanzeigen für kleines Geld - gibts auch nicht. Selbst der schrottigste Sperrmüll wird für teures Geld verkauft. Da gibts nicht mal eben eine Regal/Tisch/Sofa/Strangfalzziegel quasi geschenkt. Upcycling wird von jedem an Ort und Stelle praktiziert. Da ist nichts übrig.
Mal eben Kompost holen vom Kompostplatz gibt es auch nicht. Nur das was selbst produziert ist gibt es.
Das ist nochmal eine ganz andere Nummer als das was wir hier im Überfluss leben.
Ich fange mal ganz klein an: mein Waschmittel ist nun aufgebraucht. Ich habe Kastanien und werde nun so tun als gäbe es kein Waschmittel zu kaufen.
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Re: Nachhaltigkeit und grüner Ablasshandel - wie ehrlich bin ich zu mir selbst?
Wo ich heute so durch die Stadt geradelt bin, ist es mir wieder aufgefallen. In 90% der Pkw sitzt nur ein Mensch und bewegt rund eine Tonne Material um von a nach b zu kommen.
Welch ein ökonomischer und ökologischer Irrsinn.
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