SCHWURBELPOST
SchwurbelfreierGarten hat geschrieben: ↑Mi 19. Jul 2023, 13:19
In dem Moment wo ich den Namen des sich für eine Reinkarnation von Jesus Christus haltenden Großmeister der Esoterik und des Okkultismus Rudolf Steiner lese, weiß ich schon, dass ich mir das Video niemals ansehen werde.
Ja, gegen den hast du wirklich was, das kam schon raus...
Es gibt wie immer unterschiedliche Perspektiven.
Für mich gehört die Anthroposophie/Theosophie zu einer Vielzahl von Lebensreformbewegungen, die es um 1900 gab (s. "Monte Verita", Vegetarismus, Hermann Hesses Asien-Begeisterung etc.). Manches davon hat in irgendeiner Form Bestand, anderes verschwand. Ich nehme R. Steiner sozusagen nicht "persönlich"
. Mag er "geschauet" haben, was er will, oder von mir aus es auch nur behauptet haben.
Ich weiß nicht, ob ich schwurbelig bin - ich neige dazu zu glauben, dass das, was in unserer "rationalen" Welt als einzige Wahrheit gilt, es möglicherweise auch
nicht ist. Ich glaube, dass vieles von dem, was wir unhinterfragt als Wissenschaftskultur bezeichnen, hochgradig einseitig ist. Wir haben uns z. B. in unserer Kultur "entschieden" (vielleicht wegen der monotheistischen Religionen, keine Ahnung), überall den Dualismus von Gut und Böse zu sehen und finden das richtig und "normal". Wir sehen die Zeit als eine fortschreitende Linie und finden alles andere eine seltsame Idee. Wir haben uns (und ich will das um Himmels Willen nicht vertiefen!) in patriarchalen Strukturen eingerichtet, Gott ist immer noch ein Mann, und die möglicherweise alte Vorstellung von z. B. einer Erdgottheit, die Leben UND Tod bringt, klingt höchstens noch verkleidet in Märchen an. Andere Kulturen haben andere Ideen - in vielen indigenen "Weltverständnissen" ist z. B. Zeit etwas zirkuläres, und "Gut" und "Böse" in ihrem ewigen Tanz nicht mit einer Moralvorstellung verbunden. Aber die finden wir primitiv.
Wir finden dagegen Descartes gut, der sagte: "Ich denke, also bin ich".
Der kürzlich verstorbene Buddhist Thich Nhat Hanh sagt: "Ich denke, also bin ich NICHT". Das ist einen Gedanken wert... Niemand "ist" seine Gedanken. Wir sind auch Leib, wir sind auch... möglicherweise noch was anderes.
Descartes ist auch derjenige, der Tiere als seelenlose Automaten abkanzelte, die gar nicht in der Lage seien, Schmerz zu empfinden. Ich finde, zu so jemandem darf man ebenfalls Fragen stellen. Statt dessen gilt er als wichtiger Begründer der modernen Wissenschaft.
(Übrigens hat er einen (fast-) zeitgenössischen Philosophenkollegen, der das völlig anders sah, Michel de Montaigne, der durch Beobachtung von sehr hohem Denkvermögen von Tieren ausging.)
Anthroposophen mögen sich öfters mal verrannt haben, und ich finde auch einiges ziemlich hinterfragenswürdig bis gruselig. Aber wie es mit "Bewegungen" und Vereinen so ist... wer steht schon immer hinter allem? Letztendlich geht es immer darum, was die einzelnen Menschen von einer Idee umsetzen, mit welcher inneren Haltung. Ich denke, dass Menschen, die in den 1920er Jahren in Landwirtschaft und Gartenbau kritisch waren (sind) gegenüber Kunstdünger, gegenüber der "Einbahnstraße", der Erde Nahrung zu entziehen, gegenüber einer seelenlosen Ausbeutung; die die industrialiserte Landwirtschaft bereits damals nicht mit ihrer Überzeugung oder Erfahrung in Einklang bringen konnten, sich so leichter zusammentun konnten, als wenn jeder für sich alleine mit den Nachbarn argumentieren muss. Realos und Fundis gibts halt auch bei Waldis. Ich denke, dass Bewegungen, die so "in etwa" zur eigenen Haltung passen, anziehen, wenn man sich doch sonst oft vereinzelt fühlt. Wie... das Hortusnetzwerk oder so
. Und in der Anthroposophie ist für Menschen vermutlich anziehend, dass es ein umfassendes "Weltbild" ist. Das ist anders, als bei den später entstandenen Verbänden wie z. B. Bioland - obwohl die Austausch hatten.
Hinterfragen muss jede:r dann selber.
Machst du ja. Das Ergebnis klingt halt ziemlich pauschal.
Die Frau in dem Video scheint da irgendwie ihre Heimat gefunden zu haben. Aber das, was sie erzählt, kommt mir einfach vor wie altes Gartenwissen. Manches wissenschaftlich begründbar, manches einfach erprobt und irgendwie überliefert. Vielleicht auch manches Quatsch. Ich finde das völlig ok.
Vielleicht ist das blauäugig.
Aber Meinungen zu Themen sind ja (hoffentlich) immer Momentaufnahmen. Oder Teil-Bilder. Menschen, die sich (und Andere) da gnadenlos festtackern, sind mir unheimlich, so wie mir Gnadenlosigkeit eigentlich immer unheimlich ist.
Fertig geschwurburbelt zur späten Nacht.