Neuer Balkon-Hortus City-Paar-Zellchen, Stuttgart

Antworten
Heike Maresch
Beiträge: 2
Registriert: So 24. Sep 2023, 20:34
Hortus-Name: City-Paar-Zellchen
Hat sich bedankt: 2 Mal
Danksagung erhalten: 5 Mal

Neuer Balkon-Hortus City-Paar-Zellchen, Stuttgart

Beitrag von Heike Maresch »

Hortus-Name: City-Paar-Zellchen
Bedeutung des Hortus-Namens: Paar-Zellchen - so tauften wir als Gartenanfänger unser "Lern-Mietbeet" bei einem Selbsternteprojekt, weil wir es ja als Paar bewirtschafteten. Klar, dass später auch unser Garten, der auch noch aus zwei nebeneinanderliegenden Parzellen besteht, so heißen musste. Und was liegt näher, als die – schon wieder zwei - Balkone unserer Wohnung mitten im Stuttgarter Westen dann City-Paar-Zellchen zu nennen?
Dein Name: Heike Maresch
Postleitzahl: 70193 (Stuttgart)
Hortus-Ort: 70193 (Stuttgart)
Hortus-Land: Baden-Württemberg, Deutschland
Größe in m2: 6m² in Summe (4m² Südwestbalkon und 2m² Südostbalkon

Beschreibung des Hortus:
Zahlen, Daten Fakten für wenig Lesezeit:
- Knapp 170 Pflanzenarten, davon ca. 80% Wildformen, ca. 60% heimisch.
- Gehölze als Ertrags- und Pufferzone sowie als Klimaelement.
- Wilde Kästen mit essbaren Wildpflanzen sind Hotspot-, Puffer- und Ertragszone gleichzeitig.
- Ertragszone ist z.T. auch Hotspot, da im Speiseplan viele heimische Wildpflanzen integriert sind.
- Hotspotzonen wie Teich- und Sumpfbeet sind auch Ertragszone, da essbare Pflanzen und Heilpflanzen darin wachsen.
- Zusätzliche Hotspotzonen: Totholz, Steine, Nisthilfen

Beschreibung in Langform
Begonnen hat das Balkongärtnern mit Kräutern und Gemüse - und nach dem Motto: Das wollen wir haben! Das bauen wir an! Klar, dass mit dem Ansatz vieles nicht gelang. Vor allem auf dem extrem sonnen- und windexponierten Süd-Westbalkon staute sich die Hitze, der Wind trocknete die Töpfe in Null-Komma-Nix aus und egal wie viel Wasser und Mulch: Gurken, Salat,... klappte alles nicht.
Für mein Permakultur-Design-Zertifikat habe ich 2020 als Abschlussarbeit ein Design für unsere beiden Balkone erstellt. Ziel war eine Zonierung für mehr Aufenthaltsqualität, Beschattung und Kühlung, das Schaffen verschiedener Mikroklimata für unterschiedliche Pflanzenbedürfnisse und die Nutzung der Vertikale als zusätzliche Anbaufläche.
Pandemiebedingt verzögerte sich die Umsetzung, Bau- und Gartenmärkte zu, Online-Shops ausverkauft… Aber: nicht alles ist nur gut oder schlecht… 2021 schloss ich nämlich eine Waldgarten-Ausbildung an – und die Idee von Pflanzgefäßen in der Vertikalen wandelte sich zu Pflanzen, die in die Vertikale wachsen und eine lebende, laubabwerfende Beschattung schaffen. Es entstand eine Bepflanzung in mehreren Schichten, wie in einem Wald. Ganz außen, am meisten exponiert, die „harten Gesellen“: Mauerpfeffer, Fetthenne, mediterrane Kräuter… Und in ihrem Schatten und Windschutz gediehen plötzlich die windempfindlichen Chilies besser. Und in deren Schutz Pflücksalate – die bis dahin eine – im Sinne des Wortes: lausige Ernte ergeben hatten.
Endlich war es auch möglich, die Pergola bauen zu lassen, erste Gehölze und zwei Rebstöcke zogen ein. So lange die Gehölze noch klein sind, helfen wir bei der Beschattung mit Jutestoff nach (den ich im Winter als Kälteschutz verwende). Die Stoffbahnen hängen an den Drahtseilen der Pergola wie Wäsche und können leicht verschoben werden.
Ungefragt wurde ich mit Wasserpflanzen beschenkt – und legte einen Miniteich in einer Waschschüssel an. Und weil das so gut klappte, kam noch ein Sumpfbeet dazu. Beides kühlt übrigens zusätzlich und wird auch von Vögeln und Insekten als Tränke angenommen.
Nicht nur die Pflanzen, sondern auch die Pflanzgefäße wurde 2022 größer – und sorgten durch die Blattverdunstung bzw. die größere Erdmasse für erste verbesserte Kühlung. Wir bauten größere, rollbare Container für die Gehölze und ein Vertikalbeet mit durchgehender Erdsäule für unser Blatt- und Wildgemüse. Mit dem großen Erdvolumen ging das Erntevolumen enorm in die Höhe.
Sämtliche Pflanzgefäße haben einen (selbst) eingebauten Wasserspeicher, in den über Gießrohre direkt hineingegossen wird. So sparen wir sehr viel Wasser, weil es an heißen Tagen nicht direkt an der Oberfläche verdunstet, sondern im dunklen, kühlen Speicher ist – und die Pflanzen auch angeregt werden, kräftigere Wurzeln hin zu diesem Speicher zu entwickeln. An der Erdoberfläche gieße ich nur noch bei Neupflanzungen, ca. die ersten 2 Wochen und natürlich bei Aussaaten.
Trotz intensiver und langer Recherche, online und offline, ist es uns leider nicht gelungen, eine praktikable Lösung zum Sammeln von Regenwasser zu installieren. Für sehr schmale Balkone gibt es da nichts, was in einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis steht, denn entweder die Lösung nimmt zu viel Anbaufläche weg – oder das Wasser reicht hinten und vorne nicht. Nach langem Rumprobieren haben wir jetzt einen Eimer mit Schütte, der in unsere Spüle passt. Gemüsewaschwasser, Kochwasser (ohne Salz), Spülwasser von den Keimsprossen, mal schnell was Abspülen unter laufendem Wasser – das fließt jetzt da hinein und wird, wenn voll, nach draußen in die Gießkannen transferiert. Dort kann es dann bis zum morgendlichen Gießen auch abstehen, was den Pflanzen besser bekommt. Und die Methode hat – neben dem zweimaligen Nutzen des Wassers – auch einen erzieherischen Effekt. Wenn man mal gesehen hat, wie viele Liter Wasser da täglich einfach so davonlaufen, wird man ganz von selbst sparsamer. Im Sommer kommen wir mit dem tagsüber gesammelten Küchenwasser nicht ganz hin, es ist aber ein Schritt in die richtige Richtung und ein praktikabler Kompromiss..
Als Substrat verwende ich eine Mischung aus rein mineralischem Dachgartensubstrat, das sehr formstabil ist (Lava, Ton, Sand) und das ich – je nach Nährstoffbedarf der Pflanzgemeinschaften – mit bereits vorhandener Pflanzerde und mit Kompost aus dem Garten mische. (Die Pflanzengilden habe ich – je nach Ansprüchen an Nährstoffgehalt, Bodenfeuchte und Licht mit Hilfe von naturadb.de. zusammengestellt. Außer den Gehölzen habe ich erstmal nur mit bereits vorhandenen Pflanzen gearbeitet.)
Zusätzlich mulche ich alle Oberflächen – was welk ist und „wegkann“ landet direkt auf der Erde und gibt so auch direkt Nährstoffe wieder in den Boden ab. Es wird also nicht „gedüngt“ im Sinne der „Fütterung“ einzelner Pflanzen, sondern das Bodenleben selbst durch Kompost und Mulch ernährt.
Dass keinerlei –izide und Kunstdünger etwas hier zu suchen haben, war von Anfang an klar. Wer will schon Gift im Draußen-Wohnzimmer und später auf dem Teller? Und wer da so angeflogen kommt und beim Gärtnern hilft, soll ja ein gesundes Buffet vorfinden.
Tja - und 2022 machte ich außerdem eine Ausbildung zur Wildpflanzenpädagogin, siedelte diverse essbare Wildpflanzen zu Beobachtungszwecken vom Garten auf dem Balkon an, kaufte einige dazu und stellte fest: die Besucherdichte durch Insekten nahm mit dem Einzug der einheimischen Wildpflanzen schlagartig zu.
Durch die Gehölze waren dann aber die Pflanzkästen, die in außen an der Balkonbrüstung in einer schmiedeeisernen, umlaufenden Halterung stehen, zum Teil schwer erreichbar. Leerlassen kam nicht in Frage – und so definierten wir diese Ecken als Zone5/Wildniszone, bepflanzten sie mit einheimischen Wildkräutern aus unserem Garten – und ließen die Natur ihr Ding machen.
Letztes Jahr beteiligte ich mich dann am Wettbewerb Deutschland summt – wir tun was für Bienen. Solche Aktionen finde ich total hilfreich, weil man sich beim Beschreiben immer auch selbst hinterfragt, ob denn alle Kriterien erfüllt sind und was man noch verbessern kann. Dort wurde nach Strukturelemente gefragt, für Wildbienen, aber auch sonstige einheimische Wildtiere. Guter Anlass endlich mal Wildbienen-Nisthilfen und Nistkästen für Vögel anzuschaffen. Die Wildbienen bauten übrigens schon, als die Nisthilfe noch unmontiert auf dem Tisch stand. Deutlicher hätte der Beweis, dass das auch mitten in der Stadt und hoch oben funktioniert, gar nicht ausfallen können. Teichlein und Sumpfbeet hatte ich schon – jetzt kamen noch Totholz und Steine dazu. Das ist wunderschöne Deko, aber auch Ansitz für Vögel und Habitat für 6- und 8-Beiner in einem.
Bei Deutschland summt hat es dann in der Kategorie Balkone, Terrassen… für den ersten Preis gereicht. Viel wichtiger ist aber: wir haben geschafft, was wir uns vorgenommen haben. Es ist im Sommer viel kühler auf dem Balkon und in der Wohnung, die Selbstversorgung funktioniert besser und es gibt ständig was zu sehen. Bienen, Käfer, Fliegen, Spinnen und ja, auch die nervigen aber superniedlichen Reiswanzen, Taubenschwänzchen an der Königskerze,… Meisen kommen vorbei und zupfen Nistmaterial aus der Jute, andere bedienen sich an den Samenständen (die stehen bleiben bis in den Frühling), für die Fledermäuse, die an Sommerabenden vorbeisegeln, haben wir auch was, z.B. Nachtkerze und Mondviole. Safari auf dem Balkon, jawoll!
Und – was mir schon in Markus Gastls Buch Permakultur & Naturgarten auffiel – ein Permakultur-Design ist eigentlich auch immer ein Hortus-Design. Wobei sich die Zonen überschneiden. Unsere Wildniszonen mit einheimischen Wildpflanzen, Sumpftopf, Teichlein, Totholz, Steine, Nisthilfen – entsprechen der Hotspotzone. Gleichzeitig sind die „wilden Kästen“/Hotspots zusammen mit den Gehölzen aber auch Pufferzone. Und zugleich Ertragszone – weil ich Wert auf essbare Wildpflanzen lege. Auch die Pflanzen in den Hotspots Teich- und Sumpftopf sind essbar oder in der Hausapotheke verwendbar, so dass diese Hotspots gleichzeitig Ertragszonen sind. Und die eigentliche Ertragszone ist zum Teil auch wieder Hotspot, denn neben Kulturgemüsen habe ich für den täglichen Salat viele Wildkräuter, z.B. Guter Heinrich, Barbarakraut, Löffelkraut, Winterpostelein, Sommerportulak, Vogelmiere, … OK – ich zähle nicht alle auf. Meine Liste bei naturadb.de ergab bei Einreichung des Wettbewerbsbeitrags 163 verschiedene Pflanzenarten auf 6m², davon 149 in ihrer Wildform und 107 heimisch. (Kulturgemüse sind halt fast alle Neophyten.) Es blüht von Februar bis November (laut Tabelle). Weil meine Pflanzen das nicht wissen, blühen sie z.T. auch schon im Januar und noch im Dezember, allen voran die Vogelmiere. Hier ist die städtische Wärmeglocke ein klarer Vorteil.
Dieses Jahr mache ich übrigens eine Volksheilkunde-Fortbildung – ihr ahnt es schon: neue Pflanzen werden einziehen. Das Ganze ist – wie in der Natur - Work in Progress.
Ein gewisses Sendungsbewusstsein habe ich schon. Drum stelle ich immer mal wieder Pflanzenverschenkpakete vor die Haustür, samt Infozettelchen. Habe in der Hausgemeinschaft Saatgutpäckchen zur Begrünung der Balkone verteilt (und wurde schon gefragt, ob es dieses Jahr weitergeht). Beim mdr-Garten durfte ich unsere beiden Balkone vorstellen und im naturadb-Newsletter und demnächst bei Birgit Schattlings Bio-Balkon-Online-Kongress und im Online-Kongress Erlebe Vielfalt von Monika & Klaus Hüskes. Last not least gibt es einen Blog auf meiner Homepage, wo ich zu Permakultur-Design auf kleinstem Raum immer mal wieder vom Balkon, aber auch allgemein zu Permakultur, Saatgut etc. berichte.
Dateianhänge
Südwestbalkon Richtung Norden.PNG
Südwestbalkon Richtung Süden.PNG
Südostbalkon.PNG
Pufferzonen.PNG
Wasserhotspots.PNG
Benutzeravatar
Polarwelt
Administrator
Beiträge: 450
Registriert: So 2. Sep 2018, 17:02
Wohnort: Bernstadt
Hortus-Name: Hortus Civitas Ursi
Hat sich bedankt: 53 Mal
Danksagung erhalten: 214 Mal
Kontaktdaten:

Hortus-Netzwerk Unterstützer

Re: Neuer Balkon-Hortus City-Paar-Zellchen, Stuttgart

Beitrag von Polarwelt »

Moin Heike,

mal wieder ein tolles Beispiel, was auf einem Balkon möglich ist. :maus

Ich habe den Hortus eingetragen und vorgestellt.

Viel Spaß weiterhin im Netzwerk. :frosch :biene

Gruß Robert
Wer Pyramiden nachmacht oder verfälscht oder nachgemachte oder verfälschte sich verschafft und in Verkehr bringt, wird mit Horteln nicht unter zwei Jahren bestraft.
tree12
Beiträge: 625
Registriert: Sa 6. Apr 2019, 10:40
Hat sich bedankt: 847 Mal
Danksagung erhalten: 736 Mal

Re: Neuer Balkon-Hortus City-Paar-Zellchen, Stuttgart

Beitrag von tree12 »

Hallo, Heike, ich bin ein großer Bewunderer Deiner Arbeit, Deiner Schaffenskraft und Deiner immerwährenden Bemühungen zu zeigen, was auf einem Balkon alles möglich ist! :bravo

Als NaturaDB rundfragte, von welchem Interviewpartner man gerne noch mehr lesen würde, habe ich u. a. auch für Dich und Deinen Waldbalkon gestimmt. Es gibt ja inzwischen viele Menschen, die ein bißchen Gemüse und ein paar Wildpflanzen auf dem Balkon haben. Aber Dein Kunstwerk mit den unterschiedlichen Waldzonen ist einzigartig. Ich freue mich auf mehr! :hallo
Heike Maresch
Beiträge: 2
Registriert: So 24. Sep 2023, 20:34
Hortus-Name: City-Paar-Zellchen
Hat sich bedankt: 2 Mal
Danksagung erhalten: 5 Mal

Re: Neuer Balkon-Hortus City-Paar-Zellchen, Stuttgart

Beitrag von Heike Maresch »

tree12 hat geschrieben: So 25. Feb 2024, 11:57 Hallo, Heike, ich bin ein großer Bewunderer Deiner Arbeit, ...
Oooooh, ist das lieb von dir! Sitze jetzt hier mit glühenden Bäckchen :oops :knuddel

Wie heißt denn dein Hortus - lass mal gucken? ! :hallo
tree12
Beiträge: 625
Registriert: Sa 6. Apr 2019, 10:40
Hat sich bedankt: 847 Mal
Danksagung erhalten: 736 Mal

Re: Neuer Balkon-Hortus City-Paar-Zellchen, Stuttgart

Beitrag von tree12 »

viewtopic.php?t=53

Ich bin schon lange hier im Forum unterwegs, habe aber keinen Hortus eintragen lassen, sondern bin bei den Gärten zu finden.

Das Grundstück mit Haus ist ca. 720 qm groß, wovon geschätzt knapp 600 qm auf die Gärten vor und hinter dem Haus entfallen (die beiden sind nicht miteinander verbunden). Die nächsten Nachbarn auf allen drei Seiten hassen offenbar alles Grün, es wird nur vernichtet, gefällt, durch Plastik ersetzt... da wir aber einen kleinen FFH-Bruchwald in Sichtweite haben, wandert von dort viel Tierzeugs in und durch meinen Garten. Alles außer dem Waschbären, ist gern gesehen, auch die Steinmarderfamilie.

Auf Deine Arbeit kannst Du mächtig stolz sein, liebe Heike! :bravo Wenn alle Balkone und Terrassen nur ein klein wenig so wären wie Dein Balkon oder der von Birgit Schattling, wäre allen geholfen, der Artenvielfalt, dem Klima und den Menschen... nur müssen das die meisten Menschen erst noch erkennen.
Antworten

Zurück zu „Eingetragener Hortus - Mein Hortus und ich!“