Interessante Bücher zu den Themen Klimawandel, Umwelt und Natur

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Primulaveris
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Interessante Bücher zu den Themen Klimawandel, Umwelt und Natur

Beitrag von Primulaveris »

Ich führe den Thread aus dem alten Forum mal weiter:

https://hortus-netzwerk.de/forum/topic/ ... und-natur/

Aus Neugier habe ich mir gekauft:

Jürgen Feder: Der Segen der Einwanderer. Neophyten - unserer pflanzlichen Neubürger und was sie für unser Ökosystem bedeuten. 1. Aufl. 2022, Gräfe und Unzer
https://www.gu.de/produkte/haus/naturfu ... eder-2022/

Viele der "invasiven Neophyten" machen mich im Alltag beklommen bis mitunter gar verzweifelt - das Tempo, mit dem sich in meiner Umgebung z. B. Pfeilkresse, Franzosenkraut, Einjähriges und Kanadisches Berufkraut ausbreiten, seit ich sie zum ersten Mal bewusst wahrgenommen habe, ist gewaltig. Und auch bereits länger Bekannte schlagen "gnadenlos" in die "Breschen", die, das muss man zugeben, eben auch neu sind, weil z. B. Streuobstwiesen nicht mehr gemäht und gepflegt werden (z. B. Robinie, Kanadische Goldrute.)

Das hat sich jetzt erstmal auch nicht geändert.

Trotzdem hat mich das Buch ein bisschen "irritiert", was Bücher sollen, wie ich finde.

Darin vorgestellt sind die "111 bedeutendsten Neophyten in Deutschland - von den Küsten im Norden zum zum Alpenrand im Süden". Und schon im Inhaltsverzeichnis habe ich gemerkt, wie manche für mich sehr negativ besetzt sind (Indisches Springkraut, Japanischer Staudenknöterich), andere (Wilde Tulpe, Mauerzimbelkraut) ziemlich positiv, und über noch viel mehr habe ich mir noch nie Gedanken gemacht oder (er)kenne sie gar nicht (Schmalblättriges Greiskraut, Gewöhnliches Hundszahngras).

Dass Herr Feder weissagen könnte, was sie auf längere Sicht "für unser Ökosystem bedeuten", stimmt natürlich nicht, das kann niemand. Aber es ist erfrischend, aus der Feder (haha, Wortspiel) von jemandem, der erstens eine unglaublich breite Artenkenntnis hat und zweitens diese Pflanzen mag , über sie zu lesen und sich auf sie einzulassen - und auch auf die Sichtweise, dass sie ja auch Chancen bergen, denn offenbar kommen sie ja mit dem hiesigen Klima wunderbar zurecht. Man sollte sich mit ihnen arrangieren, so Herr Feder. Man MUSS. Und dazu muss man sie kennen.

An anderer Stelle (Interview) sagte er, was wir vor allem schützen müssten, wenn es um die Artenvielfalt geht, seien die extremen Standorte - besonders feucht, trocken, heiß, kühl, sonnig, schattig, hochgelegen, moorig, felsig, sandig, salzig, basisch, sauer usw. - die seien für die Artenvielfalt essentiell. Auch er fände, man müsse den Japanischen Staudenknöterich nicht in einem Naturschutzgebiet oder den Riesenbärenklau am Bach wuchern lassen - sofern sie noch zurückzudrängen seien. In vielen anderen Fällen sei dieser Zug aber längst abgefahren, und Lamentieren helfe nicht.

"Biomasse und Flächenanteil der Neophyten liegen in Deutschland insgesamt im Promillebereich, viel schädlicher sind ewige Monokulturen aus Fichte, Kiefer, Mais und trostlose Gülle-Grasäcker. Schlimm sind eher menschliche, vernichtende Tätigkeiten: permanente Düngung, Entwässerung, Rodung, Wahn des Bauens - und das weltweit. Das bedeutet Artensterben. Typen wie diese Neophyte reagieren nur darauf, es ist mitnichten ihre Schuld." Und: "Und die wenigen besonders ehrgeizigen Neophyten wie etwa Armenische Brombeere, Drüsiges Springkraut [...] zeigen uns nur eigene Grenzen auf, im 21, Jahrhundert dringend notwendig. Also: Ich persönlich bin diesbezüglich ganz entspannt - seien Sie es doch dann bitte auch!" (S. 197)

Mal sehen, ob es mir gelingt.
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Tidofelder
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Re: Interessante Bücher zu den Themen Klimawandel, Umwelt und Natur

Beitrag von Tidofelder »

Ich finde den Feder meistens auch immer erfrischend. Er hat ja recht, bei vielen Neophyhten ist der Zug schon lange abgefahren. Bei den tierischen Einwanderer übrigens auch.
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Dorfgaertner
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Re: Interessante Bücher zu den Themen Klimawandel, Umwelt und Natur

Beitrag von Dorfgaertner »

Vielen Dank für die schöne Zusammenfassung!

Ich fürchte, daß Herr Feder da schon recht hat. Vor allem bei dem Punkt, daß man sich mit den Neophyten arrangieren muß. Es gibt zwar schon einzelne Arten, wie zB der erwähnte Jap. Staudenknöterich, bei denen ich mich nachdrücklich für eine Bekämpfung aussprechen würde. Aber selbst beim Jap. S. gibt es ja zahllose Städte und Gemeinden, in denen er unbehelligt wachsen darf, auch am Flußufer – wie Tree oft sagt: es fehlt einfach substantiell an Wissen bei den Leuten.

Aber bei allen Neophyten, die man in Gärtnereien und Baumärkten bekommen kann, ist das Kind halt schon in den Brunnen gefallen. Da kann man sich dann fragen, ob man das selber auch noch kaufen muß. Aber sich darüber aufzuregen oder sich davon betrüben zu lassen – das ist nicht mehr zielführend, wenn die Pflanze schon kommerziell etabliert ist. Sie wird dann schon zu hunderttausenden in den Industriegärtnereien gezogen und verkauft. Man macht sich damit nur selber traurig. Da gibt es bessere Gründe, traurig zu werden ;)

Vor einigen Monaten habe ich ein YouTube-Video gesehen, in dem idealistische junge Leute den Goldfelberich (Lysimachia punctata) zum problematischen, bitte nicht zu pflanzenden Neophyten erklärt haben. Obwohl ich wusste, daß der Goldfelberich eher süd-/südosteuropäisch ist, habe ich diese Warnung erstmals gehört, und die Warnung scheint auch eher neu zu sein. Ich war mir nicht sicher, ob ich lachen oder weinen soll – jedenfalls sind sie mindestens 150 Jahre zu spät dran, weil der Goldfelberich schon im 19. Jahrhundert als Gartenpflanze kultiviert wurde und hier inzwischen etabliert ist, ob man will oder nicht... Klar, da gilt ebenfalls: man kann sich fragen, ob man den selber haben bzw. kaufen muß. Aber da gibt es wirklich dringendere Probleme... Zumal Wikipedia sagt, er kam ursprünglich/"natürlich" bis nach Salzburg vor. Das ist nicht so weit weg – wer kann schon sagen, ob er nicht in einer Welt ohne menschliches Gärtnern auch schon von alleine bis nach Deutschland gewandert wäre.

Und dann fällt mir zu dem Thema auch noch eine Studie ein, die mal hier im Forum präsentiert wurde (finde den Beitrag leider nicht wieder), in welcher der Insektenbesuch bei Blumenwiesenmischungen untersucht wurde. Das Ergebnis war, daß in den landläufigen Allerwelts-Blumenmischungsflächen die Artenvielfalt sogar höher war, als in den gebietsheimischen Öko-Mischungen. Letztere konnten hauptsächlich nur mit einer höheren Zahl unterschiedlicher Wildwespenarten punkten. Natürlich sind gebietsheimische Wiesenmischungen trotzdem wünschenswerter und sinnvoller (zB wegen der Raupen etc., das wisst ihr ja alle selber). Aber wenn Leute als Beitrag zum Insektenschutz Allerwelts-Blumenmischungen säen, dann ist das nicht gleich "völlig falsch" oder gar "sinnlos", wie man von Hardlinern durchaus mal hört und liest.

Da sich weder die Räder der Zeit zurückdrehen lassen, noch die Umwelt im eigenen Garten gerettet werden kann, ist das Thema insgesamt für mich persönlich einfach eine Frage des individuellen Umgangs damit. Man kann sich prächtig echauffieren und alle möglichen Pflanzen auf die schwarze Liste setzen – das ist ja auch schön, man hat ein klares Feindbild, und wir haben bei Volker Pispers gelernt: das gibt dem Tag Struktur ;) Und ich würde mir auch wünschen, daß alle Neophyten, die ich zuhause nicht anpflanze, gleichsam aus der hiesigen Umwelt verschwänden. Aber das ist so, wie kein Smartphone zu nutzen, um die Verbreitung der Smartphones zu beenden ;)
Nicht falsch verstehen: ich spreche mich nicht für die Pflanzung von Neophyten aus. Aber ich finde die (präsentierten) Gedanken von Herrn Feder sehr einleuchtend und denke auch, damit sind wir wieder beim Anfang, man muß sich damit nun halt arrangieren. Es hilft ja nichts.
»Wer der Gartenleidenschaft verfiel, ist noch nie geheilt worden. Er fühlt sich immer tiefer in sie verstrickt.« – Karl Foerster
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Re: Interessante Bücher zu den Themen Klimawandel, Umwelt und Natur

Beitrag von Amarille »

@Dorfgaertner
..wenn ich könnte hätte ich dir gerne 2 danke gegeben. Durch mein Projekt mit Natur nah dran hatte ich letztens einen persönlichen Punkt erreicht wo ich am liebsten aufgeben wollte. Ursache war die hohe Fetthenne...und 3 extreme Meinungen dazu. Aber sie war schuld das man uns (der Projektgruppe und der Gemeinde) eine nachhaltige Pflege absprechen wollte. Dabei beharrte jede Partei auf "seine" Meinung, stritt sogar darum. Da hatte ich zum ersten Mal das Gefühl überfordert zu sein, da man ja eigentlich alles richtig machen will. Ich denke das ist auch das Problem generell, man überfordert die Menschen mit was ist richtig und was ist falsch. Im Gartencenter schauen inzwischen die meisten Käufer ob eine Pflanze Insekten- oder bienenfreundlich ist und vertrauen darauf das sie das richtige kaufen, ob Einheimisch, Neophyt oder Invasiv ist da kein Kriterium. Da müssten eigentlich die Gartencenter mehr hinweisen, auch in Gartenzeitschriften, TV oder Galabauern ist das noch nicht wichtig. Ich finde das alles besser ist was auch nur gering Futter bietet und sich nicht unkontrolliert ausbreitet, ein Ansatz auf den man aufbauen kann und muss, aber da sollte es nur 1 richtigen Weg geben, der meiner Meinung nach auch in der Mitte liegen könnte.
Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor zwanzig Jahren. Die nächstbeste Zeit ist jetzt!
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Re: Interessante Bücher zu den Themen Klimawandel, Umwelt und Natur

Beitrag von Tidofelder »

Ich habe mir die aktuelle Ausgabe geleistet. Jetzt bin ich wieder auf dem neuesten Stand in Sachen heimische Botanik.
Es wurden unter anderem viele Neophyhten (beständig oder unbeständig) aufgenommen, sowie Anpassungen an die aktuelle Nomenklatur und Eingruppierung vorgenommen.
Durch DNA-Untersuchungen ist die heimische Pflanzenwelt an einigen Stellen durch einander gewirbelt worden.
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Re: Interessante Bücher zu den Themen Klimawandel, Umwelt und Natur

Beitrag von Primulaveris »

Tidofelder hat geschrieben: Fr 27. Okt 2023, 15:31 Ich habe mir die aktuelle Ausgabe geleistet. Jetzt bin ich wieder auf dem neuesten Stand in Sachen heimische Botanik.
Es wurden unter anderem viele Neophyhten (beständig oder unbeständig) aufgenommen, sowie Anpassungen an die aktuelle Nomenklatur und Eingruppierung vorgenommen.
Durch DNA-Untersuchungen ist die heimische Pflanzenwelt an einigen Stellen durch einander gewirbelt worden.
Taugt das gut zur Bestimmung, wenn es "Exkursion -..." heißt?
Ich habe mir irgendwann man das hier geleistet:
Bild

Bild

Aber ich komme damit nicht so richtig zurecht. Es stehen alle Pflanzen drin, sehr viele auch mit Bild, aber ich habe noch nie Zeit investiert, diesen botanischen Abkürzungswust so zu lernen, dass ich ihn flüssig verstehen kann. Und so fehlen mir die Informationen zu genauem Standort, zu Abgrenzung zu ähnlichen Arten und vor allem zu Häufigkeit und Vorkommen. Zum Bestimmen taugt es (für mich) deshalb irgendwie nicht so richtig... (aber vielleicht muss ich einfach mehr Zeit investieren...?)
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Re: Interessante Bücher zu den Themen Klimawandel, Umwelt und Natur

Beitrag von Tidofelder »

Wenn man die Bestimmungsschlüssel und Abkürzungen kapiert hat, klappt das in der Regel sehr gut.
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