Terra Preta

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SchwurbelfreierGarten
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Terra Preta

Beitrag von SchwurbelfreierGarten »

Noch so ein heißer Scheiß. Fast jeder Youtuber, der sich mit Gärtnern beschäftigt, hat dazu Beiträge gedreht. Doch was ist Terra Preta?

Terrra Preta ist eine schwarze kohlenstoffhaltige Erde aus Brasilien. Im Endeffekt entstand sie durch die Abfälle, die die Ureinwohner des Amazonasgebiets auf ihre Pflanzbeete warfen. Sozusagen eine Art von Dauerhumus. In Verbindung mit den dort herrschenden klimatischen Bedingungen und Mikroorganismen entstand so ein humusreicher Boden - wobei man dabei wissen muß, dass dort echt "schlechter" Boden vorherrscht.

Hierzulande meinen nun einige, wenn sie auf Kohle pieseln würde Terra Preta entstehen. Auch wenn Terra Preta allen Abfall (Kohle, Fäkalien, Tonscherben, (fermentierte) Küchenabfälle, Knochen, Gräten) umfasste und nicht nur Kohle und Urin und hier eben unsere Mikroorganismen an der Umsetzung beteiligt sind und nicht die in Brasilien heimischen.

In Deutschlands Gärten haben wir in der Regel sehr gute Böden. Bei mir werden Natternköpfe ca 1,5 Meter hoch. Die zu erwartende Wirkung von "künstlicher" Terra Preta auf meinen Garten würde ich daher selbst wenn sie wirkt als marginal einschätzen. Noch dazu kommt, dass die hier propagierten Methoden oder kaufbaren Produkte in ihrer Zusammensetzung keineswegs der echten Terra Preta gleichen.

Tatsächlich gab es aber verschiedene Feldversuche mit Pfanzenkohle, dennoch ist die Studienlage noch dünn. Aber es hat sich gezeigt, dass die Pflanzenkohle den Kohlenstoffgehalt im Boden nicht dauerhaft erhöht. Bereits 2011 wurde in der Fachzeitschrift Nature nach der Auswertung aller Studien empfohlen, "optimistische Einschätzungen der Pflanzenkohle zu revidieren" Daran sieht man, dass sich die Wissenschaft schon lange vor dem Hype mit dem Thema beschäftigt hat.

Wenn man darüber hinaus noch berücksichtigt, dass dafür jede Menge Bäume sterben, nur um als Pflanzkohle verwendet zu werden, statt Kohlendioxid in Sauerstoff umzuwandeln und den Kohlenstoff einzulagern, kann man schon große Bedenken bekommen, wenn das so massiv beworben wird.

Im verlinkten PDF vom B.U.N.D heißt es
"denn die mit dem Terra-PretaEinsatz beabsichtigte Erhöhung des Humusgehaltes kann auch mittels Mist- und Komposteinsatz, intensiviertem Zwischenfruchtanbau und über aus (Freyer 2003) gewogene Fruchtfolgen (Humusmehrer im Wechsel mit Humuszehrern) erreicht werden."
und weiter
"Die meisten Studien (vgl. Sohi et al. 2009) beschreiben zwar ausführlich, aber eben nicht vergleichend mit konventioneller Mist- / Kompostwirtschaft die Eigenschaften der Terra-PretaTechnik. Qayyum et al. (2012) testeten so vergleichend die Stabilität des Humus und finden eine deutliche Abhängigkeit dieser Stabilität vom Bodentyp. Schulz et al. (2014) finden bei Gaben von entsprechend 3 t Pyrolysekohle pro ha keinen Unterschied im Pflanzenwuchs gegenüber den reinen Kompostvarianten."
und gesund ist es auch nicht
"Die Pyrolysetechnik ist grundsätzlich mit erheblichen Emissionsrisiken verbunden, da sich giftige Gase und Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) bilden können, bei Anwesenheit von Chlor aber auch Dioxine. "
das hat zur Folge, dass man PAK in den Boden einbringt
"Der Umwandlungsprozess von Biomasse in Pyrolysekohle ist auch in Hinblick auf Schadstoffgehalte im Produkt (vor allem PAK), kritisch zu bewerten. Offensichtlich haben hier verschiedene Verfahren und Ausgangssubstrate sehr unterschiedliche PAKBelastungen zur Folge."
Der B.U.N.D. kommt so zu einem Zwischenfazit
"Auch die bislang noch nicht wissenschaftlich belegten bodenökologischen Effekte zeigen auf, in welche Richtung geforscht werden sollte. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist eine breite Anwendung nicht empfehlenswert. "
ich hör mal auf zu zitieren. Bei Bedarf gerne den vollständigen Artikel lesen. Sind nur 18 Seiten ;)

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Terra_preta
https://www.psiram.com/de/index.php/Terra_Preta
http://lebensraum-permakultur.de/terra- ... undererde/
https://www.bund.net/fileadmin/user_upl ... etzung.pdf
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Erebus
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Re: Terra Preta

Beitrag von Erebus »

ich frag mich ja, warum nicht - nicht das ich TP anwenden würde, weiß aber von einigen Horties, das die es tun.
Es wird ja benutzt was vorhanden, im Garten ist, nichts wird zu gekauft . oder?

Also nur eine etwas andere Art den Boden aufzubessern. Für mich nicht verwerflich. Es gibt nicht überall in D beste Erde, Lössboden - es gibt auch Moorerde, Sand, was auch immer - da sollte man doch weniger kleinlich sein, wenn es um Bodenaufbereitung geht
Nicht die Blumen und Bäume,
nur der Garten ist unser Eigentum.
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Dorfgaertner
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Re: Terra Preta

Beitrag von Dorfgaertner »

Erebus hat geschrieben: Mi 21. Jun 2023, 18:52 ich frag mich ja, warum nicht - nicht das ich TP anwenden würde, weiß aber von einigen Horties, das die es tun.
Es wird ja benutzt was vorhanden, im Garten ist, nichts wird zu gekauft . oder?

Also nur eine etwas andere Art den Boden aufzubessern. Für mich nicht verwerflich. Es gibt nicht überall in D beste Erde, Lössboden - es gibt auch Moorerde, Sand, was auch immer - da sollte man doch weniger kleinlich sein, wenn es um Bodenaufbereitung geht
Grundsätzlich sehe ich das ähnlich, wenn es so ist, wie Du sagst. Aber ich glaube, selbst "hausgemachte" TP bräuchte Pflanzenkohle, um TP zu werden. Und wenn das so ist, dann finde ich kritische Fragen zur Ökobilanz schon berechtigt. Das ist ein bißchen wie mit den Veganern und ihren Flug-Avocados ;)

Ganz grundsätzlich fällt mir aber auch dazu nur ein: Leben und leben lassen. Und: Widersprüche aushalten. Die Alnatura-Familie fährt ja oft auch mit dem SUV vor, ökologische Waschnuss-Benutzer kaufen der indischen Unterschicht ihr Waschmittel weg und machen es für sie unbezahlbar, Bio-Kraftstoff-Befürworter akzeptieren hungernde mittel- und südamerikanische Familien, die sich keinen Mais mehr leisten können, und und und. Nichts ist einfach und nichts ist "nur gut". Oder anders gesagt: Irgendwas ist ja immer... :D

P.S.: Soweit ich weiß kommen in das "Ursprungsrezept" von Terra Preta übrigens auch menschliche Fäkalien, aber davon will keiner was hören :cool
»Wer der Gartenleidenschaft verfiel, ist noch nie geheilt worden. Er fühlt sich immer tiefer in sie verstrickt.« – Karl Foerster
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SchwurbelfreierGarten
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Re: Terra Preta

Beitrag von SchwurbelfreierGarten »

TP ist halt ein Framing. Eigentlich ist es Pflanzkohle, aber es hört sich eben viel cooler an Terra Preta dazu zu sagen.
Und solange hier kein Nachweis einer wirklichen Bodenverbesserung erbracht wird, ist das für mich unnötiger Aufwand. Letztendlich ist die Einschätzung vom B.U.N.D dass es hier weiterer Forschung bedarf und man solange auf großflächigen Einsatz verzichten sollte. Ich denke das ist eine vernünftige Position.
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Re: Terra Preta

Beitrag von Freder »

Die meisten in Deutschland verwendeten Rezepturen haben nicht mehr viel mit der eigentlichen Herstellung zu tun.
Hierzulande wird ja meist Kompost, Mist, Pflanzenkohle, Urgesteinsmehl und Erde gemischt. Manchmal kommt noch Urin oder Pflanzjauche dazu aber das wars dann meist auch schon.

Ich selber hab auch nach so einem Rezept etwas hergestellt. Allerdings auch mit selbstgemachter Kohle.
Ob es wirklich besser oder schlechter als reiner Kompost ist war mir dabei ziemlich egal. Ich wollte halt etwas ausprobieren. Da ich fast nen ganzen Tag gebraucht habe um die Kohle herzustellen werd ichs wahrscheinlich aber auch nicht wieder machen.

Kohle ist ein Kationentauscher und dazu mit einer sehr großen Oberfläche. Dies, kann ich mir vorstellen, schon von Vorteil für bestimmte Böden sein. z.B. bei denen Nährstoffe schnell ausgewaschen werden. Hier kann die Kohle als Speichermedium dienen und diese länger halten sowie Spitzen abfangen. Ausserdem kann durch die große Oberfläche auch viel Wasser gespeichert werden (Dies war für mich ein Grund es zu probieren)

Früher ist Asche mit kleinen Kohleresten auch mit auf den Kompost gewandert. Daher gabs das sicher in einer eigenen Form auch bei uns....
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Erebus
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Re: Terra Preta

Beitrag von Erebus »

Ich, für mich, hab halt so das Gefühl, das jeder, der es versucht - auch nach einer Weisheit sucht, die Erträge zu erhöhen, den Boden aufpeppen..
Kann jeder halten wie er will, aber der Prozess der Herstellung ist durchaus zeitintensiv. Wenn man sich ans Rezept hält.

Wo wir wieder bei "exotischem" wären.
Heim- und Hausmittel können ja nicht funktionieren - und man rennt der Blaskapelle hinterher, die durchs Dorf zieht.

*Ist meine Meinung zu, nichts persönliches

Vor 1900 hat es auch kein EM oder TP gegeben - und man konnte sich mit den Früchten des Gartens ernähren, wusste aber auch mehr um Feld - und Wildfrüchte, die man über Winters essen konnte.

heute verkauft jeder 0815 Supermarkt Waren aus aller Welt und niemand denkt sich was bei.
Wenn du mal Richtung Maggi/Knorr wanderst, gibt es Tüten für Frikadellen und panierte Schnitzel :| :flucht

Wir verlieren uns - für globalem Mist. Unsere Böden sind um einiges besser, als der Ursprungsboden von TP - und dieser Boden hat einen der größten Regenwälder mit ungeahnter Vielfalt auf sich beherbergt.

* ich mein ja nur
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SchwurbelfreierGarten
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Re: Terra Preta

Beitrag von SchwurbelfreierGarten »

Erebus hat geschrieben: Do 22. Jun 2023, 06:17 Ich, für mich, hab halt so das Gefühl, das jeder, der es versucht - auch nach einer Weisheit sucht, die Erträge zu erhöhen, den Boden aufpeppen..
Kann jeder halten wie er will, aber der Prozess der Herstellung ist durchaus zeitintensiv. Wenn man sich ans Rezept hält.

Wo wir wieder bei "exotischem" wären.
Heim- und Hausmittel können ja nicht funktionieren - und man rennt der Blaskapelle hinterher, die durchs Dorf zieht.
Stand ja auch so im B.U.N.D Papier

"denn die mit dem Terra-PretaEinsatz beabsichtigte Erhöhung des Humusgehaltes kann auch mittels Mist- und Komposteinsatz, intensiviertem Zwischenfruchtanbau und über aus (Freyer 2003) gewogene Fruchtfolgen (Humusmehrer im Wechsel mit Humuszehrern) erreicht werden."

Die Hausmittel, die wir sowieso schon machen, erreichen das Ziel auch.
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Re: Terra Preta

Beitrag von Primulaveris »

In Basel betreiben die Stadtwerke versuchshalber ein Fernwärmeprojekt, in dem sonst nicht verwertbarer Pflanzenschnitt in einem Pyrolyseofen verwertet wird. Das Abfallprodukt ist Pflanzenkohle.
Dass die große Oberfläche der porösen Struktur in der Lage ist, Wasser gut zu speichern, klingt für mich zunächst mal einleuchtend. Dass ein guter Teil des CO2 im Boden bleibt, eigentlich auch. Pyrolyse ist ja nicht "verbrennen".
Extra herstellen - vielleicht ist das ist wieder so ein Lifestyle-Dings. Aber wenn es als Abfallprodukt schon mal da ist, finde ich das nicht schlecht.
Weiß nicht, ob es bessere Links gibt https://www.energie-experten.ch/de/wiss ... erung.html

Hier steht (wenngleich vom Hersteller, der natürlich nicht sagt, sein Produkt sei Humbug), dass/warum man die Kohle mit Kopost vermischen muss https://www.iwb.ch/klimadreh/ratgeber/c ... anzenkohle
Ich denke, ihr Hauptplus ist das Strukturschaffen/Durchlüften/Feuchtigkeit Halten von Böden, nicht irgendwelche Nährstoffe.
Kann mir aber auch vorstellen, dass das nicht bei jedem Boden das Richtige ist, sondern ja nach Klima und Substrat.
Wenn man es in großem Stil macht, bin ich immer sehr skeptisch, den Boden zu verändern. Sowas ist ja nie revidierbar.
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