In den letzten Tagen habe ich so einiges im Forum gelesen, wodurch mir bewusster geworden ist, man weiß nicht, wer hier mitliest und daraus wächst eine gewisse Verantwortung. In dem Zusammenhang ist es mir ein Anliegen, ein paar Gedanken zum Thema einheimische bzw. nichteinheimische Pflanzen (Neophyten) aus meiner ganz persönlichen Perspektive preiszugeben:
Ich habe durchaus nicht einheimische Pflanze im Hortus und finde das in Ordnung. Die meisten davon sind von den Vorbesitzern und aus vergangenen Zeiten. In den seltensten Fällen habe ich sie selber gepflanzt und schon gar nicht, seitdem ich überzeugter Anhänger des Hortuskonzeptes von Markus Gastl bin, weil das für mich ein Widerspruch in sich wäre.
Keinesfalls möchte ich allerdings soweit gehen, einfach pauschal alles nicht einheimische zu eliminieren. Die Pflanzen können nichts dafür, dass sie unbedarft gesetzt wurden und es sind beileibe nicht alle schädlich, manche haben durchaus einen Nutzen für unsere heimische Tierwelt und für uns Menschen, sei es auch nur für die Seele oder den Gaumen.
In unserem Auffahrtbereich steht z.B. eine Zuchtrose mit gefüllten Blüten. Sie erfüllt hinsichtlich ihrer Blüten im Sinne einer Nahrungsquelle keinen Zweck für unsere einheimische Tierwelt, wird aber durchaus gerne angeknabbbert oder als Unterschlupf genutzt. Sie wächst dort vermutlich seit der Erschließung des Grundstücks vor über 25 Jahren, blüht jedes Jahr monatelang wunderschön vor sich hin (was für die Seele) und darf dies auch weiterhin. Sollte sie irgendwann mal absterben, würde ich sie vermutlich durch eine heimische Wildrose ersetzen.
Wichtig finde ich, Neophyten gut im Auge zu behalten. Wenn es sich anbietet, kann man sie nach und nach ersetzen, auf jeden Fall sollte man aber eine übermäßige Verbreitung verhindern. Fühlt man sich dazu nicht in der Lage, würde ich eine Entfernung favorisieren. Zwei Beispiele:
- Bei mir gibt es vereinzelt "Verbena bonariensis / Patagonisches Eisenkraut". Es ist eine eher zierliche Staudenpflanze, sie wandert durch den Hortus, taucht hier und da auf und verschwindet auch wieder. Das Patagonische Eisenkraut nimmt wenig Raum ein, lässt sich leicht entfernen, außerdem ist es frostempfindlich, stirbt in kalten Wintern komplett ab und ist dann verschwunden oder nur noch vereinzelt auffindbar. Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und Schwebfliegen lieben die Pflanzen, dennoch ist mir bewusst, es ist ein Neophyt und ich behandle sie dementsprechend. Wäre es besser, das Patagonische Eisenkraut ganz zu entfernen? Das wäre innerhalb von ein bis zwei Jahren problemlos machbar. Aus irgendeinem Grund habe ich dies bisher nicht getan, wissentlich pflanzen würde ich es jedoch auch nicht.
- An anderen Stellen, in den Außenbereichen der Pufferzone tritt "Solidago canadensis / Kanadische Goldrute" auf, ein invasiver Neophyt. Sie ist extrem wuchskräftig, konkurrenzstark und bildet Wurzelausläufer, andere Pflanzen haben da kaum Chancen. Hier greife ich ein, entferne die Pflanzen und versuche im Gegenzug unsere einheimische "Solidago virgaurea / Gewöhnliche Goldrute" zu etablieren.
Eines der wichtigsten Elemente des Hortuskonzeptes ist es, einheimische Wildpflanzen zu fördern. Auf keinen Fall sollten invasive Neophyten bewusst gepflanzt werden, zumal es fast immer Alternativen gibt. Ebenso ist der Klimawandel kein Argument für Neophyten. Wir haben (noch) so unheimlich viele einheimische Wildpflanzen und darunter eine Menge, die es trocken mögen und auch wunderbar mit dem Klimawandel zurechtkommen. Meist sogar besser als Neopyhten, weil sie derbe Fröste vertragen, die in unseren Breiten durchaus auftreten können.
Viele unserer einheimischen Wildpflanzen sind gefährdet, stark gefährdet, vom Aussterben bedroht oder sogar ausgestorben bzw. nicht mehr nachweisbar. Sie sind auf
unser aller Unterstützung angewiesen. Ich empfinde es als eine Pflicht, ihnen zu helfen und gleichzeitig ist ein Privileg, dies tun zu können. Man kann mit einheimischen Wildpflanzen im Hortus eine so herrliche Vielfalt schaffen und so viel Gutes tun!
Inzwischen habe ich durchaus einige Pflanzen im Hortus:
viewtopic.php?p=14315#p14315
Diese Vielfalt dient nicht allein dem Zweck, die heimische Tierwelt zu erfreuen, es ist gleichzeitig eine Investition in die Zukunft. Mit den sich ändernden klimatischen Bedingungen werden nicht alle Pflanzen zurechtkommen. Die große Menge an Arten sichert trotzdem eine dauerhafte stabile Vielfalt. Durchaus ist mir schon beim Pflanzen bewusst, die eine oder andere Pflanze wird es nicht schaffen und auf lange Sicht verschwinden. Dafür werden sich andere wiederum etablieren, das ist eigentlich in jedem Naturgarten so. Wichtig ist, dass dies im Sinne einer gesunden Biodiversität auf einer möglichst breiten Basis einheimischer Wildpflanzen geschieht.
Die Überraschung:
In den ersten sechseinhalb Monaten dieses Jahres gab es im Hortus Grevenstein extrem wenig Niederschlag, vom Boden her glich der Hortus zeitweise einer Wüste. Umso mehr haben die einheimischen Wildpflanzen überrascht. Sie blühten aller Widrigkeiten zum Trotz, die ganze Zeit hindurch gab es ein üppiges und stetiges Nahrungsangebot.
Meine Ziele mit dem Hortus Grevenstein:
In einem langfristig natürlichen Kreislauf möglichst viel für unsere Insekten tun und gleichzeitig andere ermutigen, ebenfalls etwas im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verändern.
Mein Schlussappell an alle, die bis hier durchgehalten haben:
Es muss ja nicht jeder gleich seinen ganzen Garten umkrempeln, wie in meinem Fall. In jedem Garten können kleine wilde Ecken zu rettenden Inseln für das Leben werden. Je mehr es davon gibt, umso besser können diese Trittsteinbiotope wirken und Biotopvernetzung und biologische und genetische Vielfalt förden. Das ist das Gerüst, das uns alle trägt und am Ende unser Überleben sichert.
Mit den den Worten von Henry Ford ausgedrückt: "Die Natur braucht keine Menschen – Menschen brauchen die Natur."